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Abschlusskonzert von „Alsfeld Musik Art“ in der Alsfelder Dreifaltigkeitskirche mit dem „Konzertchor Alsfelder Singkreis“ unter Thomas Walter sowie Monika Eder (links, Sopran) und mit Orgelbegleitung durch Miriam Appel (rechts)
Foto: Prof Dr. Ingfried Stahl

Musikalisches Glaubensbekenntnis

Abschlusskonzert der Reihe "Alsfeld Musik Art" für das Spieljahr 2007/2008 mit dem Konzertchor Alsfelder Singkrei

Alsfeld (la). Mit geistlichem Chorgesang auf hohem Niveau, vorgetragen vom Konzertchor Alsfelder Singkreis unter Leitung von Thomas Walter - gepaart mit dem bezaubernd-brillant gesungenen Sopran von Monika Eder - beschloss "Alsfeld Musik Art" am Sonntagabend in der Dreifaltigkeitskirche seine Musiksaison.

In mehreren Einzeldarbietungen des geistlichen Konzerts in der praktisch vollbesetzten Kirche begleitete einfühlsam Miriam Appel an der Orgel. Der Würde und Bedeutung der auf die Basis christlicher Gläubigkeit und Frömmigkeit zurückgeführten Vokalmusik angemessen war denn auch die Wahl des sakralen Aufführungsortes, der ehemaligen Klosterkirche mit ihrem machtvollen und der Akustik durchaus zuträglichen Hallengewölbe.
Wie in den Jahren zuvor bildete auch diesmal der lokale Beitrag mit Alsfelder Interpreten den Abschluss des an musikalischen Höhepunkten reichen Konzertreigens 2007/2008. Dass der Veranstalter mit dem Schlusskonzert Seele und religiöses Empfinden des Auditoriums – sowohl durch Wort als auch durch Klang – sehr wohl zu erreichen vermochte, bewiesen mehrfach die Beifallsbekundungen nach Einzeldarbietungen, vor allem aber dann der langanhaltende Schlussapplaus nach der über anderthalbstündigen Konzertveranstaltung.
Mit der Verpflichtung von Monika Eder (Sopran) war „Alsfeld Musik Art“ dabei zweifellos ein Glücksgriff gelungen, bereicherten doch die brillanten Sologesangsvorträge der Künstlerin – begleitet lediglich an der Orgel (Thomas Walter, Miriam Appel) – das Konzert in erhebender Weise. Gleichwohl verstand sich aber Monika Eder auch, bei Gesangsvorträgen wie der Hymne „Hör mein Bitten“ für Solo-Sopran, gemischten Chor und Orgel mit vokalistischer Perfektion in den Chorgesang mit einzubringen.
Das musikalische Fundament gestaltete aber einmal mehr der mit 45 Sängerinnen und Sängern mit eindrucksvoll harmonischer Klangaussage über alle Stimmen hinweg auftretende „Konzertchor Alsfelder Singkreis“ unter dem aufmerksam-einfühlsamen Dirigat seines Leiters Thomas Walter.
Mit dem innig-religiös kolorierten Gesangsbeitrag, der fünfstimmigen Motette für gemischten Chor „Jesu, meine Freude“, BWV 227 von Johann Sebastian Bach, setzte sogleich der Konzertchor einen über alle Strophen hinweg fast dreißig Minuten währenden glanzvollen Auftakt – dies alles als Glaubensbekenntnis ganz im Sinne protestantischen Christentums.
Bach verarbeitete in seinem Werk Verse aus dem verwendeten Predigtext aus dem Römer-Brief , die er zwischen die sechs Strophen des Lieds komponierte. Texte von sowohl Lied als auch Bibelworten setzen dabei Unvergängliches Vergänglichem gegenüber. Spruchtexte mit dogmatischer Sachlichkeit kontrastieren in der wohl gehaltvollsten Bach´schen Motette Aussagen im Lied mit ichbezogener Ergriffenheit.
Der Alsfelder Konzertchor wurde den interpretatorischen Ansprüchen in der Spannbreite von hoher Sensitivität wie beim „Unter deinem Schrimen“ bis hin zu dramatischer Klangformulierung beim „Trotz dem alten Drachen“ in jeder Phase der Darbietungssequenz mit beachtlicher Authentizität gerecht.
Herausgehoben aus der Fülle harmonischer Feinheiten und Herausforderungen wie bei der Liedstrophe „Weg mit allen Schätzen“ – hier kontrastierten erregend intoniert die tieflagigen Stimmen mit dem Sopran – sei exemplarisch noch die sechste und letzte Liedstrophe: „Weicht, ihr Trauergeister“, ein beglückt gesungener Übergang von vorösterlichem Flehen zu nachösterlicher Freude. Reicher Beifall des Auditoriums war verdiente Anerkennung für die vokalistisch anspruchsvolle Auftaktdarbietung des Alsfelder Chors. Im weiteren Verlauf des Konzertabends wechselten dann Auftritte des Konzertchors in harmonischer Abfolge mit Sologesangsvorträgen von Sopranistin Monika Eder, begleitet an der Orgel.
Monika Eder wurde ihrem Ruf, zu schon jetzt anerkannten Konzertinterpreten im In- und Ausland zu gehören, bei allen Gesangsbeiträgen in beeindruckender Weise gerecht: so bei den beiden geistlichen Liedern op. 112 („Doch der Herr, er leitet die Irrenden recht“ und „Der du die Menschen lässest sterben“) oder auch dem in lateinischer Sprache gesungenen „Salve Regina“ („Sei gegrüßt, o Königin“) von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Mit der Arie für Solosopran und Orgel „Salve Regina“, begleitet von Thomas Walter am Instrument, setzte die Sopranistin zweifellos den solistischen Höhepunkt des Abschlusskonzerts von „Alsfeld Musik Art“, wie auch der lautstarke und langanhaltende Beifall unterstrich.
Die Arie – sie inspirierte immer wieder Komponisten verschiedenster Epochen – ist eine Huldigung an die Gottesmutter Maria in Klangbildern von unvergleichlicher Schönheit – bildhafte und affektreiche Worte, Seufzen und Weinen im Kontrast zur Gewissheit des Glaubens und der Hoffnung. Dies alles mit strahlend-sphärischem Vokalgesang zu interpretieren gelang Monika Eder in glaubhaft-beeindruckender Weise: Beseeltheit in Wort und Klang.
Immer wieder war es das wunderschöne Timbre ihrer Stimme, das in graziöser Vollendung mit Mimik und Gestik der Interpretin ihre Gesangsvorträge zu einem Klangerlebnis der Sonderklasse ausgestaltete. Monika Eders silberhelle Stimme brillierte aber auch später immer wieder bei den Abschlussbeiträgen des Abends, den Liedern für Sopran-Solo und gemischten Chor „So liebt Gott die Welt“ und „Irischer Segen“, beide von Bob Chilcott (geb. 1955).
Zuvor hatte der „Konzertchor Alsfelder Singkreis“ mit einer Reihe weiterer Darbietungen profunden Nachweis konzertanter Leistungsfähigkeit erbracht – dies bei durchwegs guter Tonqualität und Verständlichkeit bei insgesamt ansprechend homogen und geschmeidig wirkenden Frauen- und Männerstimmen.
Der Chor – er wusste auch mit dem in italienisch gesungenen „Pater Noster“ von Giuseppe Verdi Variabilität zu dokumentieren - beherrschte die Intonation sowohl getragen-gefühlvoller Harmonien als auch die vokalistische Umsetzung rhythmisch-lebendiger Weisen, so bei den drei Spirituals für gemischten Chor „Soon ah will bei done“ (Satz: William L. Dawson), „Deep river“ (Satz: Eduard Pütz) und „The Battle of Jericho“ (Satz: Moses Hogan), in dem der Konzertchor sein ganzes musikalisches Temperament nur so sprühen lassen konnte. Verständlicherweise erntete der Chor auch für diese Beiträge viel Beifall.
Um eine Zugabe – eine musikalische Visitenkarte mit dem temperamentvollen „The Battle of Jericho“ - nach dem langen Schlussapplaus kam der Konzertchor allerdings nicht herum.




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Das Foto zeigt das „Morgenstern-Trio“ beim Konzert von Alsfeld MusikArt in der Aula der Albert-Schweitzer-Schule. Von links: Nina Reddig (Violine), Catherine Klipfel (Klavier) und Emanuel Wehse (Violoncello)
Foto: Christoph Kramer

Konzertgenuss der Extraklasse: Das "Morgenstern-Trio"

Alsfeld Musik Art: Das "Morgenstern-Trio" verzauberte die Alsfelder Musikliebhaber in der Aula der Albert-Schweitzer-Schule

Alsfeld (la). Kammermusik auf exzellentenm Niveau, dargeboten mit technischer Raffinesse und perlender Leichtigkeit vom "Morgenstern-Trio", verzauberte am Samstagabend die Musikliebhaber in der neuen aula der Albert-Schweitzer-Schule. Mit dem Engagement des Trios - Catherine Klipfel (29, Klavier), Nina Reddig (28, Violine) und emmanuel Wehse (Violoncello) - in erneuter Kooperation mit dem Hessischen rundfunk ist den Organisatoren von Alsfeld Musik Art einmalmehr ein konzertanter Volltreffer gelungen.
Den Stellenwert des Konzerts unterstrich in einführenden Worten Susanne Schaeffer, die Kammermusik-Redaktionsleiterin des Frankfurter Senders. Das junge Trio sei ein Preisträger des letztjährigen Internationalen ARD-Musikwettbewerbs. Dem Hessischen Rundfunk als Mitglied der ARD sei es dabei ein Anliegen, den Preisträgersolisten Auftrittsmöglichkeiten zu bieten wie jetzt hier in Alsfeld beim Gastkonzert von „hr2 kultur“. Susanne Schaeffer teilte auch mit, dass dieses live-Konzert aufgezeichnet und am Donnerstag (1. Mai 2008) ab 20.05 Uhr im Programm HR 2 gesendet werde.
Beim Gastkonzert des „Morgenstern-Trios“ standen Klaviertrios von Joseph Haydn (1732 – 1809) und Johannes Brahms (1833 – 1897), aber auch – quasi als musikalisches Nachempfinden der konzertanten Ansprüche beim 56. ARD-Musikwettbewerb in 2007 – die Darbietung der geforderten Auftragskomposition, des Piano Trios Nr. 2 des zeitgenössischen Komponisten Tobias PM Schneid (geb. 1963), auf dem Programm. Schon mit dem Haydn´schen Auftaktstück, dem Klaviertrio Es-Dur Hob. XV:10 (Hob. bedeutet hier die Kompositionsnummerierung nach Anthony van Hoboken, d.Red.), gelang es den Solisten, das Auditorium mit interpretatorischer Klasse ganz in seinen Bann zu ziehen. Einer forsch intonierten Einleitung im Allegro moderato, überfließend mit virtuosem Klavierspiel Catherine Klipfels in perlender Unbeschwertheit in der Durchführung, begleitet von den warmen und den Bass verstärkenden Streicherklängen des Cellos von Emanuel Wehse und den wunderschön anzuhörenden Violinenkantilenen Nina Reddigs, schloss sich ein fulminant vorgetragener zweiter Satz (Presto) in sehr schnellem Sechs-Achtel-Takt in ungebrochen hoher pianistischer Virtuosität an.
Bereits mit dieser Einleitungskomposition unterstrichen die drei Musiker ihre schon jetzt unüberhörbare musikalische Ausgereiftheit, nicht zuletzt daraus abzuleiten, dass die Solisten sich nicht mit spieltechnischen Herausforderungen abgeben müssen – alle drei stehen mit „ihren“ Soloinstrumenten auf „du und du“ -, sondern dass sie sich vielmehr ganz den interpretatorischen Klangaussagen der einzelnen Kompositionen hingeben können. All dies erfolgt in eindrucksvoller musikalischer Abgestimmtheit, ganz im Sinne einer gewachsenen und homogen konzertierenden Klangformation.
In starkem Kontrast hierzu stand dann die Aufführung der bereits erwähnten Auftragskomposition, des Piano Trios Nr. 2 (2007) von Tobias PM Schneid. Sie war mit für das „normale Hörempfinden“ sicher gewöhnungsbedürftigen Klangbildern ausgelegt. Faszinierend hier vor allem die sporadischen Einwürfe des Pianos und die gleichsam nervöse Erregtheit, die alle drei Solisten im ersten der vier Sätze in gleichem Maße vor musikalische Herausforderungen stellte.
Noch vor der Pause mündete dann das Konzert wieder in gewohnt-klassisches Fahrwasser der Kammermusik, und zwar mit der Aufführung des Klaviertrios E-Dur Hob. XV:28 von Joseph Haydn. In diesem Stück gefielen insbesondere die gesangliche Einleitung mit im weiteren Verlauf koloristisch-phantasievoller Ausgestaltung, die verspielten Tonabfolgen des Klaviers im Folgesatz und das kompakt komponierte und mit einem dunkel kolorierten kurzen Moll-Intermezzo ausgelegte zügige Finale.Während die vorausgegangenen Sätze vieles von dem boten, was einfach gerne gehört wird – zum Beispiel eine schöne Melodie des Pianos im Satzmittelteil mit pizzicati-Untermalung der Streicher oder verspielte Tonabfolgen des Klaviers ohn´ Unterlass -, überzeugte die Interpretation des Finales (allegro) durch seine Kompaktheit und thematische Schlichtheit.
Eine konzertante Glanzleistung vollbrachte das „Morgenstern-Trio“ dann nach der Pause mit der Darbietung des ersten Kammermusik-Werks von Johannes Brahms, des Klaviertrios Nr. 1 H-Dur op. 8, komponiert in vier Sätzen (Allegro con brio, Scherzo: Allegro molto – Meno allegro, Adagio und Allegro). Diese Aufführung forderte auch wegen der langen Spieldauer von fast 35 Minuten auf spieltechnisch höchstem Niveau die jungen Solisten fast bis zum Äußersten.
Michael Wehse war es hier vorbehalten, mit singenden Celloklängen behutsam und feinfühlig einzuleiten und seine Partnerin Nina Reddig zum Mitsingen auf der Violine einzuladen: eine sehr ansprechende Einleitung, die mit überraschend kraftvollen und sich steigernden Klavierakkorden Catherine Klipfels in erregendem Wechselspiel der drei Musiker in eine phantasiereich ausgestaltete Gesamtdarbietung mündete, der sich keiner der Anwesenden zu entziehen vermochte.
Das „Morgenstern-Trio“ umschiffte letztlich alle Fährnisse der musikalischen Ansprüche in grandioser Manier. Intonation und Phrasierung des Brahms´schen Werks ließen in keiner Phase der Aufführung an Vorbildlichkeit zu wünschen übrig. Die Darbietung ob so vieler musikalischer Facetten ließ sicher das Herz so mancher Musikliebhaber höher schlagen: sei es bei kantilenenhaften Klängen der Streicher, bei fulminanten, kraftstrotzenden Klavierakkorden, tänzerisch-melodiösen Harmonien, einer im Mittelteil des adagio-Satzes sich entfaltenden Melodie von nicht endenwollender Schönheit oder auch beim Wechsel von balladenhaft kolorierter und pathetischen Klangaussagen im schnellen Finalsatz. – Das begeisterte Publikum dankte den Interpreten mit langanhaltendem Beifall für einen Konzertgenuss der Extraklasse. Das „Morgenstern-Trio“ gewährte als Dank seinerseits noch drei Zugaben.




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Foto: Julia Born

Lohnende Wiederentdeckung eines vergessenen Komponisten

Alsfeld Musik Art: Ensemble Sans Souci führte an dessen 321. Geburtstag Werke des Alsfelders Johann Jakob Birkenstock auf

Alsfeld (nst). Alsfelds Kulturszene feiert die Wiederentdeckung eines Jahrhunderte vergessenen Komponisten: Auf den Tag genau am 321. Geburtstag des Alsfelder Barockmusikers Johann Adam Birckenstock erwies sich das Ensemble Sans Souci am Sonntagabend in der Dreifaltigkeitskirche als würdiger Wahrer des Birckenstock`schen Erbes. 350 Konzertgäste dokumentierten ihr Wohlgefallen mit lang anhaltendem Beifall.
Barockkomponist, Violinvirtuose und Hofkapellmeister in Eisenach – zeitlebens galt der Alsfelder Johann Adam Birckenstock (1687 – 1733), Sohn eines Leinwebers mit Wohnsitz in der Steinborngasse, als hochdekorierter und einflussreicher Musikschaffender. Dass sein reichhaltiges künstlerisches Gut über die Epochen nicht nur in Musikempieri und –dokumentation weitgehend in Vergessenheit geraten war, sondern auch im Bewusstsein der heimischen Musikliebhaber, veranlasste die Alsfelder Kulturpreisträger Dieter und Gisela Müller lange Jahre zu umfangreichen Forschungen. Ihre Bemühungen führten jetzt in der 19. Saison der Konzertreihe „Alsfeld Musik Art“ zu einem kulturhistorisch gleichermaßen bedeutsamen wie verdienten Tribut – einem ganzen Abend im Zeichen von Johann Adam Birckenstock, dem ersten seit dem ersten Museums-Konzert am 14. März 1977.
Verantwortlich hierfür zeichnete das anerkannte Ensemble Sans Souci Berlin. Seit der Gründung 1985 hat die Formation insbesondere mit Aufführungen wiederentdeckter Kompositionen von sich Reden gemacht. Ihre erste und bislang einzige Berührung mit Birckensstock`scher Musik, dessen Handschrift in der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin ruht, datiert aus den Neunzigern: Damals interpretierte das Ensemble eine seiner Sonaten für eine CD-Einspielung.
Auf Dieter Müllers Anregung wagte sich das Septett im vergangenen Jahr auf längst verlorenes Terrain und studierte eigens für den Auftritt in Alsfeld vier Birckenstock-Werke ein. Eine echte Herausforderung, wie Irmgard Huntgeburth, eine der Ensemble-Gründerinnen, am Rande des Konzerts schwärmte: „Birckenstocks Kompositionen sind technisch sehr anspruchsvolle Musik.“
Ansprüche, denen sich Irmgard Huntgeburth (Violine), Miki Takahashi (Violine), Almut Schlicker (Violine und Viola), Adam Roemer (Violine und Viola), Niklas Trüstedt (Gambe), Simon Linné (Laute) und Petteri Pitko (Cembalo) mit Bravour annahmen. Das demonstrierte das Ensemble in Birckenstocks reizvoll gesetzter Sonate op. 1 Nr. 1 D-Dur für Violine und Basso continuo. Hier präsentierten sich die Berliner als profunde Könner ihres Metiers mit ausgeprägter Spielfreude, in einer weiten Bandbreite zwischen musikalisch inszenierter flehentlicher Selbstaufgabe und prunkvoll höfischer Couleur. Auf ein gleitend träumerisches „Adagio 2“, mit konzentrierter Zepterführung von Voilinistin Irmgard Huntgeburth und jederzeit in vollkommener emotionaler Einigkeit gehalten, ließ „Sans Souci“ein behändes „Allegro“ folgen. Ihm verliehen die Streicher ein weitgehend tänzelndes Antlitz, ohne es zu versäumen, vereinzelte Motive straff zu organisieren und den Ausgang des zweiten Satzes erstaunlich harsch durchzudeklinieren. Treffsichere Erwiderungen fanden sich aus dem Basso continuo, auch in der Cembalo-Begleitung des Finnen Petteri Pitko, Gastprofessor am Konservatorium in Helsinki, der seine stets leichthändige Diktion mit einem verschmitzen Lächeln darbot. Vitale Entgegnungen erlebte das Auditorium im Schluss-„Allegro“, großer Beifall war der gerechte Lohn.
Birckenstocks Sonate op. 1 Nr. 6 G-Dur nahmen sich Violinistin Almut Schlicker, Gambist Niklas Trüstedt und Lautist Simon Linné als Trio an.. Sie nuancierten im „Adagio“ mit Bedacht, polten ihre Diktion auf fülliges Schwelgen und blieben nachdenklich-versunken, Niklas Trüstedt überzeugte mit elegantem Gambenspiel. Energisches Streben legten die Musiker im Folge-„Allegro“ an den Tag, niemals ohne Maß zu verlieren.
Im dritten Satz „Adagio“ ließ Almut Schlicker gedankenverloren ihre Blicke gen Zenit kreisen, während sie erhellende Definitionen fand. Dazu setzte Lautist Linné augenfällig konzentriert seine Fingersätze um. Die „Allemande“ wiederum verlangte aufgrund ihres Schreittanzcharakters dem Zusammenspiel der drei Musiker viel Passigkeit ab. Diese Prämissen setzte das Trio jedoch mit Bedacht um. Ohne Scheu und mit viel Agilität nahm es sich letztlich dem Schluss-„Allegro“ an – mit finessenreichen Artikulationen und einigen spannenden Wendungen.
Ein spürbares Anliegen war dem Kollektiv Birckenstocks Concerto A-Dur für Violino Concertino, Violini Ripieno, Viola und Basso continuo. Hier hatte Miki Takahashi ihren großen Auftritt: Die zierliche Japanerin zeigte sich glänzend aufgelegt, als sie ihr Violinensolo mit Verve und Können durch die Sphären der Komposition trieb, und erntete dafür donnernden Applaus. Dass sie sich zum Ausgang der traurig anmutenden Passage eine unsaubere Intonation erlaubte, schmälerte ihre Leistung nicht.
Adam Roemers Violinenspiel in Birckenstocks Sonate op. 1 Nr. 8 B-Dur wohnte Skepsis inne. Die mannigfaltigen Reize jener Komposition brachte Roemer vor allem in den defensiv gehaltenen Parts mit Glanz zur Aufführung: An Pitkos Seite verlieh der hoch aufgeschossene Solist seinem Klang viel Gefühl, rückte seinem Instrument andächtig näher, als er die Facetten des dritten Satzes „Largo“ bis ins Äußerste ausreizte.
Am Ende eines anderthalbstündigen Programms, das neben Birckenstock auch mit drei Barockwerken von Telemann und Corelli weitere Farbe erhielt, verliehen 350 Gäste mit lang anhaltendem Beifall ihrem Empfinden Nachdruck, dass es sich lohnt, die weithin verloren gegangene Musik des Alsfelder Komponisten sukzessive wiederzuentdecken.




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Von Brillanten und Bonbons -Das Trio Charolca bei Alsfeld Musik Art

Passender Auftakt in der neuen Haupt-Spielstätte, der Aula der Albert-Schweitzer-Schule

Alsfeld (wl). Noch bevor die Musikerinnen und der Musiker des „Trio Charolca“ am frühen Sonntagabend in der neuen Aula der Albert-Schweitzer-Schule die Bühne betraten, nahm die goldglänzende, reich verzierte Konzertharfe auf dem Podium zahlreiche Blicke gefangen. Sie sandte so den ersten, von Annette Thon anschließend auch in Worte gefassten Willkommensgruß an die Besucher der neuen Haupt-Spielstätte von Alsfeld Musik Art – ein atmosphärisch und akustisch guter Ort für Kammermusik.
Meisterinnen und Meister ihres Fachs sind alle drei Musiker des in Besetzung und Namengebung ungewöhnlichen Trios, das zu Recht als eines der führenden seiner Art in Europa gilt. Die Ensemblemitglieder, obschon alle noch jung, sind allesamt bereits in herausragenden Positionen tätig: Charlotte Balzereit als Soloharfenistin der Wiener Philharmoniker, Anne- Cathérine Heinzmann als stellvertretende Soloflötistin des Frankfurter Opernhaus- und Museumsorchesters, und Roland Glassl (der in Alsfeld schon einmal, damals mit dem Mandelring-Quartett, auftrat) ist Professor für Viola an der Frankfurter Musikhochschule. Zum Trio zusammengefunden aber haben sie nicht als gefragte Solisten, sondern während ihrer Studienzeit in München.
Drei Instrumenten-Familien, die der geblasenen, gestrichenen und gezupften, vereinigen sich in der Besetzung Flöte, Viola und Harfe. Der erste Teil des Konzertes war dezenten Bearbeitungen vorbehalten und verströmte einen Hauch von virtuoser Salonmusik – wobei man sich als Salon nacheinander ein barockes Prunkgemach à la française, ein Wiener Gründerzeit-Palais und einen klassizistischen Theatersaal irgendwo in Europa vorstellen darf. Das gemeinsame Eröffnungsstück, die 1728 erschienene Triosonate D-Dur op. 2 No. 8 von Jean-Marie Leclair, ursprünglich für Flöte (oder Violine), Viola da gamba und Basso continuo erfasst, tauchte die Aula sogleich ins Licht einander widerstreitender und sich dennoch vereinender Instrumentalfarben. Zupackend bis virtuos, präzise und doch beseelt zeigten sich die Interpreten sogleich von ihrer besten Seite. Für Barockmusik-Spezialisten oder gar -Puristen blieb das Klangbild trotz Verwendung „barocken Instrumentariums“ durch Flötistin und Bratscher allerdings bis zuletzt etwas gewöhnungsbedürftig, besonders da die Harfe in ihrer „modernen“, seit etwa zweihundert Jahren bestehenden Form nicht ganz den gängigen Erwartungen an eine Continuo-Gruppe entspricht: als einerseits eher zu füllig im Klang, andererseits etwas zu wenig konturiert in der Bassregion.
Ganz nebenbei gab Leclairs Opus Gelegenheit, die Verständigkeit des Alsfelder Kammermu-sikpublikums einmal mehr zu loben. Obgleich die Sätze des Werkes im Programmheft nicht vermerkt waren (es handelte sich um vier, langsam - schnell - langsam - schnell, entsprechenden der im Barock vorherrschenden „Kirchensonaten“-Form), gab es nicht den Ansatz eines verfrühten Applauses.
Wer das Instrument Querflöte und die Epoche der Romantik gedanklich zusammenbringen möchte, kommt an Franz Doppler nicht vorbei. In der mit Flötenliteratur dünn besiedelten musikalischen Landschaft des 19. Jahrhunderts wurde Doppler, gewissermaßen als ein Paganini der Querflöte, zum Gastgeber einer gesellschaftlichen Oase. Einige Jahre wirkte Doppler selbst in Ungarn; seine „Fantaisie Pastorale Hongroise“ op.26 überträgt das in der Violinliteratur verbreitete ungarische Genre auf die nicht minder bewegliche moderne Quer-, die so genannte Böhm-Flöte. Auch seiner „Fantaisie“ liegt das Grundmuster des Csárdás zu Grunde, die Aufeinanderfolge von ruhiger, frei präludierender bis pathetischer Einleitung (Lassú) und wildem „Friska“. Das Wechselspiel aus Melancholie und Feuer hatte sein Pendant im Kontrast zwischen goldfarbenen Instrumenten und schwarzer Kleidung der Interpretinnen. Der Klang der Harfe war hier, namentlich in ihren feierlichen Zwischenspielen, durchaus als Gewinn zu verbuchen gegenüber der von Doppler ursprünglich vorgesehenen Klavierbegleitung. Die Flöte brillierte und tirilierte in ihrem gesamten Klangspektrum, und ihr Ton wirkte stellenweise fast wie ein Naturereignis, so dass die Interpretin Anne-Cathérine Heinzmann als Auslöserin der klanglichen Akrobatik manchmal fast aus dem Blick geriet.
Wem unter den Zuhörern Reste des Bratscher-Klischees im Kopf herumspukten, der wurde durch Niccolò Paganinis Sonata „per la Grande Viola“ nachhaltig davon befreit. Sie präsentierte sich unter den Händen von Roland Glassl als hoch virtuoses Instrument, das zuweilen der menschlichen Stimme (und mitunter vielleicht auch Seele) klanglich näher steht als die Violine. All deren technische Möglichkeiten und Effekte vollführte hier der Bratscher auf seiner „Braut“ – von „einfachen“ Doppelgriffen über das Synchronspiel von Pizzicato plus gestrichenen Tönen bis hin zum Sautillé mit schier aberwitzig springendem Bogen. Fehlte eigentlich nur noch ein solistischer Auftritt der Harfe, zumal, wie sich in Pausengesprächen zeigte, nicht wenige Konzertbesucher recht dankbar gewesen wären, etwas mehr über die Funktionsweise der Doppel-Pedalharfe (mit zweifacher Erhöhbarkeit jeden Tones) zu erfahren. Übrigens wünschten sich manche auch ein genaueres Eingehen auf die Werke (und nicht so sehr die Komponisten) der ersten Konzerthälfte im Programmheft.
Im zweiten Teil trat das Brillieren hinters Musizieren zurück, nun durchweg in Trio-Besetzung, bei spieltechnisch und interpretatorisch hohem Anspruchsniveau. Anders als der Name des Ensembles, der sich mit Blick auf die Vornamen der Interpreten leicht enträtseln lässt, steckten die beiden Werke nach der Pause voller Merkwürdigkeiten und Geheimnisse. Sofia Gubaidulina, 1931 in der Tatarischen Republik geboren und seit 15 Jahren bei Hamburg wohnend, ist eine der führenden Komponistinnen der neueren Musik. Der Titel ihre Originalkomposition für Flöte, Viola und Harfe: „Garten von Freuden und Traurigkeiten“ verweist in den näheren und ferneren Osten. Das Werk, das von poetischen Texten seinen Ausgang nahm, umkreist mit musikalischen Mitteln die Themen Ende, Grenzerfahrung, Spiel. Das geschieht in einer schillernden, teils meditativen, teils gestischen, in jedem Fall tief symbolischen Tonsprache – für darin „ungeübtere“ Zuhörer allerdings eine nicht ganz leicht verdauliche Musik. Die Übertragung einer Art Bottleneck-Spielweise (wie man sie von Blues-Gitarristen kennt) auf die Harfe und die Erzeugung von Saiten-Teiltönen auf der Viola in Flageolett-Technik gaben klanglich hier allerdings einen roten Faden zur Verfügung. Wenn auf verschiedene Art immer wieder fließende Übergänge stattfanden zwischen Klang und Ge-räusch, so ließ sich dies auf das Wechselverhältnis von Individualität und Natur beziehen. Eine unmittelbare Konzertaufführung hat gegenüber jeder medialen hier den Vorteil, dass klanglich Fremdes und Verfremdungen sich aus der Anschauung weitreichend „erklären“. Der vielgestaltigen Musik und ihrer konzentrierten Darbietung gelang es so tatsächlich, das Publi-kum in Bann zu schlagen. Das Dialogische in Trillerketten und Viertelton-Verstimmungen, in heterophonen Passagen, bei denen zwei das Gleiche, aber nicht das Selbe sagen, aber auch die eingestreuten kurzen Monologe von Flöte und Viola ließen das Fehlen von herkömmlicher Melodie und Harmonik im Verlauf immer weniger als Mangel erscheinen. An die Stelle melodisch-harmonischer Höhepunktsbildung tritt ein Verdichten der Überlagerungen und der klanglichen Ereignisfolge in der Zeit. Das Ende des Werkes verweist mit den allein zurück-bleibenden harmonischen Teiltönen der Viola auf ein Verlöschen der Individualität, das Eingehen in die Natur.
Ein Harfenist, Carlos Salzedo war zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer der maßgeblichen Beförderer der Moderne im amerikanischen Musikleben; der deutsche Musikphilosoph Theo-dor W. Adorno sah in der Harfe „ein großes Symbolrequisit des Jugendstils“, das „Freiden-kern für Zauber“ gestanden habe. Das ist in etwa die Spannbreite von Claude Debussys Sonate für Flöte, Viola und Harfe, die den krönenden Abschluss des Programms bildete, ein mehr-gesichtiges Opus und das Paradestück für diese Besetzung – auch dies eines jener Werke, die im Konzertsaal erlebt werden sollten. Debussy lässt hier den Impressionismus, mit dem er gern etikettiert wird, weit hinter sich; er experimentiert mit den Klangmöglichkeiten der Instrumente und ihrer Kombinationen, fragmentiert musikalische Gedankengänge, durchaus mit Mahler vergleichbar, spricht ähnlich wie Reger die Sprache einer polyphonen musikalischen Prosa, und schafft so ein Werk der Zeitenwende zwischen Romantik, Impressionismus und Moderne (mit Debussys Worten: „ein nicht ganz gelungener Versuch“), freilich ein zu großen Teilen sehr anmutiges, formal gerundetes. Wir haben es mit Claude Debussys wohl bedeu-tendster Kammermusikkomposition zu tun (von ihm selbst „ein Gnadengeschenk“ genannt), was durch die im Konzert gebotene hohe Kunst des Zusammenspiels besondere Unterstreichung fand; mit entsprechend kräftigem Beifall wurde „Charolca“ gefeiert. Die Zugabe, von Harfenistin Charlotte Balzereit als „Bonbon“ für den Nachhauseweg angesagt, war dann nochmals, obgleich aus der Opernliteratur stammend, ein fast unbearbeitetes Stück Musik: der Entr’acte zum dritten Aufzug von G.Bizets „Carmen“. Flöte und Harfe sind dabei auch im Original die Soloinstrumente, während die Viola im Kammerkonzert die jeweils führende Gegenstimme (Klarinette, Horn) vertrat. Mit Bizets sommerlicher Szene im Ohr verließen die Zuschauer als Lauschende an diesem atypischen Wintertag den neuen Kammerkonzertsaal.




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Vier mal vier klingende Saiten

Zum zweiten Mal nach 1998: Klenke-Quartett konzertierte in der Alsfelder Stadthalle

Alsfeld. Vier außerordentlich sympathische Musikerinnen erfüllten am Sonntagabend den kleinen Saal der Stadthalle: das Klenke-Quartett. Mit Werken von Mozart, Verdi und Puccini ließen die Frauen einen klassisch anmutenden Geist durch den Saal wehen.
Doch auch ein wenig Wehmut war in der Luft zu spüren, denn jenes Konzert war das letzte, das im wohl bekannten Rahmen der Alsfelder Stadthalle gefeiert wird. Die voraussichtliche Schließung der Stadthalle zwingt die Konzertreihe bald in andere Räumlichkeiten Alfelds auszuweichen. Die Zuhörer werden die akustische Brillanz der alten Stadthalle sicherlich vermissen.
Die Fantasien des spätbarocken Komponisten Henry Purcell markierten den tänzerischen Auftakt des Konzertabends. In eine getragene Essenz getaucht, stellte sich die Fantasie in G-Dur vor, wobei diese sich nicht zwischen einem wehmütigen und dem heiteren Charakter zu entscheiden vermochte.
An jene sehnsüchtige Stimmung knüpfte nahtlos die Fantasie in e-Moll an. Eine hervorstechende erste Geige akzentuierte die Fantasie in d-Moll, wobei die kontrastierenden Celloklänge eindrücklich die Gleichberechtigung aller Stimmen im Quartett zum Ausdruck brachte. Mit einer leidenschaftlichen Ader nahmen sich die vier Frauen der Chaconne in g an, welche mit trauerndem Tenor, der an allen vorgetragenen Werken des englischen Komponisten haftete, untermalt wurde.
Auch bei den Musikerinnen handelte es sich um vier absolut gleichberechtigte Spielpartnerinnen: Annegret Klenke (Violine), Beate Hartmann.(Violine), Yvonne Uhlmann (Viola) und Ruth Kaltenhäuser (Violoncello). Die vier Musikerinnen des Klenke-Quartetts waren allesamt Absolventinnen der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar und können mittlerweile auf eine elfjährige Konzertkarriere zurückblicken.
Vor neuen Jahren hat das Klenke-Quartett, das seit der Gründung im Jahre 1991 in unveränderter Besetzung spielt, schon einmal die Stadt Alsfeld besucht. Dass sie zur Spitze der deutschen Streichquartette gehören, haben sie in der Stadthalle eindrücklich unter Beweis gestellt. Die Lebensfreude, die die vier Frauen versprühten war gleichsam im ganzen Saal zu spüren, es schien sogar, als finde zwischen ihnen ein lebhaftes Gespräch statt.
Durch den subtilen Feinschliff des Zusammenspiels bestachen sie in Mozarts Streichquartett Es-Dur, eines der Quartette, die Haydn gewidmet sind, Mozarts Freund und geschätztem Lehrer. In besonders natürlicher Schlichtheit formulierte das Quartett unisono das Thema des Kopfsatzes und die heiter-festliche Konnotation der typischen Mozart-Tonart Es-Dur führte das Werk zu klassischer Ebenmäßigkeit. Im meditativen zweiten Satz “Andante con moto“ lag ein besonderes Augenmerk auf den weichen Celloklängen, die das Thema, eine Folge gebrochener Akkorde, in der tiefen Lage vorstellten.
Wie aus einem Guss waren die flirrenden Töne, virtuos und sicher, sich behutsam in die Klangbalance einfügend, der Primgeigerin Annegret Klenke. Die perfekte Balance des Quartetts, beherzt und zupackend, dabei doch differenziert und transparent, zauberte eine leichtfüßige und tonschön in glänzenden Streichernuancen zu vernehmende Interpretation des Werks. Mit spürbarere Freude am gemeinsamen Musizieren nahmen sich die Streicherinnen des Menuetts an, jener Satz, der den Musikerinnen sichtlich Spaß zu machen schien, denn jede von ihnen hatte dabei ein kleines Lächeln auf den Lippen. Zu einer mitreißenden Leistung vermochte sich das Quartett zu steigern und konnte mit überlegter Phrasierung und sicherer dynamischer Gewichtung eine ausdrucksintensive „Gesprächskultur“ beweisen.
Während der erste Teil des Konzertes einen tänzerischen Charakter voll Leichtigkeit aufwies, wandten sich die Künstlerinnen des Klenke-Quartetts nach der Pause behäbigeren Werken zu. Das auf den Blumennamen „Crisantemi“ getaufte Werk des Italieners Giacomo Puccini ist als eine Impression zu bezeichnen, die Puccini nach eigenen Angaben in einer einzigen Nacht komponiert hat. Die dem Ohr vertrauten Melodien sind von nahezu sterbendem Pathos. Dank dieser Ausdrucksstärke konnte das romantische Stück im letzten Akt der Puccini-Oper „Manon Lescaut“ glänzen und dokumentiert dort ergreifend den Tod der Protagonistin.
Haydns Geist in Verdis Händen: Im Streichquartett e-Moll, dessen Charakter von einer retrospektiven Haltung durchzeichnet ist, orientiert sich Verdi an den Quartettsätzen der Wiener Klassiker. Mit glasklaren Formulierungen und faszinierendem Spiel führte das Quartett den Abend zu einem Höhepunkt. Mit der Stimmung einer melancholischen Rückschau atmen die Rahmensätze durch den Geist der Klassik. Nahezu heroisch wirkt der in Rage geratende Kopfsatz des Stückes, schließlich in das zurückhaltend-tänzerische Andantino mündend. Im dritten Satz kann sich das Violoncello, gespielt mit technischer Raffinesse von Ruth Kaltenhäuser, mit italienisch anmutender Kantabilität als instrumentaler Sänger profilieren. Das Streichquartett e-Moll endet mit einer Fuge, eine Tradition, welche auf die Quartette Joseph Haydns zurückgeht.
Mit einem langanhaltenden Applaus zeigten die Zuhörer ihren Respekt, der den Vieren zuteil wurde und forderten das Quartett zu einer Zugabe auf, sodass der Kopfsatz des letzten Werkes ein zweites Mal erklang.




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Streicherinnen zogen auch Kinder in den Bann

Alsfeld Musik Art: Klenke-Quartett glänzte kammermusikalisch in der Stadthalle - Klassikauftritt vor 400 Schülerinnen und Schülern

Alsfeld (jol). Sonntags klassisch-chic für erfahrene Musik-Liebhaber, am nächsten Tag leger beim Schulkonzert vor einer 400köpfigen Kinderschar - das Klenke-Quartett hat am Sonntag und Montag in der Reihe »Alsfeld Musik Art« eindrucksvoll Werbung für die Kammermusik gemacht. Virtuos zeigten sich die Mozart-Spezialistinnen beim letzten Musik-Art-Konzert in der Stadthalle mit einem eingängigen Programm von Purcell, Mozart, Puccini und Verdi. Einfühlsam brachten sie am Montag in der Gerhart-Hauptmann-Schule mit Erzählerin das Märchen vom »Hässlichen Entlein« zu Gehör. Die fünf Frauen, die selbst zwölf Kinder haben, stellten erst die Instrumente vor und zogen die Kinder dann mit einer spannenden Erzählung und zu Herzen gehenden Musik-Intermezzi in den Bann der Klassik. Beeindruckend, wie relativ ruhig die vielköpfige Kinderschar ob der ungewohnten Klänge über eine Stunde hinweg war - und sie spendete begeisterten Applaus.
Erfreut über diesen Erfolg des ersten Kinderkonzerts mit dem Klenke-Quartett waren denn auch die Organisatoren von Alsfeld Musik Art, die das Klassik-Programm seit Jahren ehrenamtlich organisieren. Christoph Kramer verwies darauf, dass die Konzertreihe über 30 Jahre hinweg ein »Riesenerfolg« für die Region ist. Hochkarätige Musik wurde den Musikliebhabern immer wieder nahe gebracht - so nun auch vom Klenke-Quartett bei seinen zwei Auftritten.
Am Sonntag spannten Annegret Klenke, Beate Hartmann (Violinen), Yvonne Uhlemann (Viola) und Ruth Kaltenhäuser (Cello) einen kammermusikalischen Spannungsbogen vom 17. bis ins 20. Jahrhundert. Zum Aufwärmen stellten sie Fantasien und eine Chanconne von Henry Purcell vor - schon da glänzten sie mit ihrer gleichberechtigten Spielweise, die den vier Virtuosinnen Raum für die eigene musikalische Handschrift lässt. Die abwechslungsreichen Fantasien und das liedhaft-getragene Chanconne boten einen beglückenden Einstieg ins Konzert. Das folgende Streichquartett Es-Dur Mozarts ist Teil einer Einspielung von zehn berühmten Streichquartetten Mozarts. Nach der Pause ging es anrührend weiter: Mit im Gepäck hatten die Musikerinnen, die an der Musikhochschule Weimar studiert haben, zwei Streichquartette von Puccini und Verdi. Beide wurden ansonsten als Opernkomponisten berühmt.
Zum Erlebnis für die Kinder wurde dann der legere Auftritt der Streicherinnen mit einer Erzählerin am Montag morgen in der Turnhalle der Gerhart-Hauptmann-Schule. Gut 400 Schüler der GHS und der benachbarten Brüder-Grimm-Schule erlebten ein hochmusikalisches Märchen. Dass nur vereinzelt Unruhe aufkam, zeigt die Qualität der Aufführung. Normalerweise treten Musikerinnen und Erzählerin vor Gruppen von maximal 200 Kindern auf - mit dem erträglichen Geräuschpegel bei der doppelten Anzahl Gäste waren die Musikerinnen denn auch zufrieden. Und für den Arbeitskreis Musik Art war es ein gelungener Einsteig in die Musikvermittlung an Kinder, die eigentlich ganz andere Hörgewohnheiten haben - da mag es für einige der Kinder ein »Schlüsselerlebnis« gewesen sein, einmal Klassik auf so lockere Art zu erleben.
Geschickt haben die Musikerinnen das Märchen vom Hässlichen Entlein mit Musikstücken von Debussy, Bartok, Schostakowitsch, Weber und Mozart verwoben. Die anrührende Reise des hässlichen Federtieres durch ein Welt voller Ablehnung und Alleinsein wurde wirkungsvoll durch die frische Spielweise des Quartetts in Harmonien umgesetzt. Am Ende, als aus dem hässlichen Entlein der wunderschöne Schwan geworden war, applaudierten die Kinder begeistert - und holten so die fünf Künstlerinnen noch einmal zurück auf die Bühne.
Vor dem Musik-Märchen erläuterten die Musikerinnen ihre Instrumente. So ist der Bogen für die Violine mit Rosshaar bespannt. Rosshaar hat eine raue Oberfläche, wodurch die Saiten richtig ins Schwingen gebracht werden. Das Cello ist für die tieferen Töne zuständig und die Bratsche kann das Geräusch einer zufallenden Tür erzeugen. Das Klenke-Quartett hat inzwischen ein neues Programm für Kinder in der Mache. Dabei geht es um »Der Tod und das Mädchen«, in dem die Musik von Franz Schubert größeren Kindern nahe gebracht wird.




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Foto: Christoph Kramer

"Ein Zeugnis romantischen Ausdrucks"

Alsfeld Musik Art: Mit Werken von Franz Liszt, und Franz Schubert eröffnet die Pianistin Olga Kozlova die 19. Spielzeit

Alsfeld (jbo). Einen fulminanten Auftakt erfuhr die 19. Spielzeit der Konzertreihe Alsfeld Musik Art. Am schwarzen Steinway interpretierte die russische Pianistin Olga Kozlova Werke von Franz Liszt und Franz Schubert. Olga Kozlova, erst 21 Jahre alt und schon mehrfach preisgekrönt: Beim 5. Internationalen Klavierwettbewerb der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar ging Kozlova als Siegerin hervor. Außerdem erhielt sie einen Sonderpreis für die beste Interpretation eines Werkes von Franz Schubert sowie von Franz Liszt. All diese Auszeichnungen kann die junge Russin auf sich vereinen. Warum, zeigte sie am Samstagabend dem zahlreich erschienenen Publikum im kleinen Saal der Alsfelder Stadthalle.
Ingeborg Beckmann-Launer, erste Stadträtin, lobte in ihrer Begrüßungsrede das facettenreiche kulturelle Angebot des Stadt Alsfeld, was eindrücklich zeige, dass ein hochkarätiges Musikprogramm nicht nur in Großstädten, sondern auch im ländlichen Raum aufzufinden sei. Beckmann-Launer räumte der Konzertreihe, die schon ein fester Bestandteil der Alsfelder Musikwelt sei, den Rang eines kleinen, aber feinen Festivals ein. Diesem Festival blieb die junge Pianistin Olga Kozlova nichts schuldig. In den folgenden zwei Stunden puren Musikgenusses verzauberte sie komplett ohne Notenvorlage ihr Auditorium mit virtuosen Klavierklängen.
Die wehmütige Stimmung der a-Moll Sonate, eine der bedeutendsten Sonaten des Komponisten Franz Schubert, tauchte Kozlova in träumerische Perfektion. Mit beklemmendem Tenor modellierte sie das Unisono Thema zu Beginn des ersten Satzes der Sonate und ließ mit zügig vorwärtstreibenden, jedoch nie überhetzten Tempi der federnden Rhythmik Raum zur Entfaltung. Die markante Interpretation der Künstlerin lebte von den musikalischen Gegensätzen: einmal in heroischem Habitus, doch nie mit übersteigerter Geste, dann wieder gefühlvoll in sich versunken, nahezu resignierend nahm sie sich couragiert der Komposition des romantischen Werkes an. Prämissengerecht moderat wusste sie Akzente zu setzen. Über die Stimmung jenes Satzes schrieb der Komponist Robert Schumann, sie sei „still, träumerisch, bis zu Tränen rührend“. Das Thema des volksliedhaften Andante wird in einem Variationszyklus in kunstvollen Passagen und Läufen verarbeitet, den Kozlova wie einen langen Atembogen gestaltet. Beinahe heiter und zerbrechlich, konträr dem Moderato, wirkt hier das Andante. Zu einem dramatischen Gefühlsausbruch kommt die Sonate schließlich im letzten Satz, dem Rondo. Rasende Läufe und Akkordketten formulierte die Musikerin, die bereits als Elfjährige den ersten Preis beim Klavierwettbewerb „The Young Musicians of Moscow“ gewann, in eindringlicher Weise und reizte das gesamte Portfolio der Dynamik aus, wobei jede Note klar transparent blieb ohne in ihren voluminösen Crescendi unterzugehen. Technisch phantastisch mit makellosem Anschlag brachte Kozlova, seit 2004 Studentin am Moskauer Tschaikowsky Konservatorium, die Sonate a- Moll in ihrem finalen Satz zu einem turbulenten Höhepunkt.
Nach einem donnernden Applaus schloss Kozlova mit dem Kunstlied „Gretchen am Spinnrade“, einer Vertonung des Gedichts von Johann Wolfgang von Goethe. In einer verträumt zierlichen Musikalität formulierte sie das markante, immer wiederkehrende dynamisch wellenartig schimmernde Motiv, welches das gleichmäßige Drehen des Spinnrades darstellt. Schubert, ein der Romantik nahe stehender Künstler, gilt als einer der Schöpfer des Kunstliedes, der charakteristischen Ausdrucksform jener Epoche. Franz Liszt hat schließlich die Lieder anderer bedeutender Komponisten bearbeitet und transkripiert, so auch 47 Werke von Schubert. „Ungeduld“ entstammt dem Liederzyklus „Müllerlieder“. Wie der Titel es schon prophezeit, akzentuierte Kozlova das Stück mit einer sprunghaft atemlosen Interpretation der wirbelnden Notation.
„Impromptu“ – mit jenem Begriff bezeichnet man im 18. Jahrhundert ein Stegreifgedicht. Die Musik bemächtigte sich des Impromptus, als Klaviervirtuosen durch das Land zogen und ihre Kunst in phantasievollen Improvisationen darboten. Kleine Musikstücke erhielten oft das Prädikat Impromptu, wenn sie spontan und aus einer Laune heraus geschaffen wurden. Die Impromptu-Sammlungen Franz Schuberts weisen jedoch sehr viel mehr inneren Gehalt auf, sodass die ursprüngliche Definition des „Impromptu“ weniger mit jenen Werken konform ist. Die Pianistin Kozlova nahm sich des Impromptu in f-Moll mit hoher Konzentration und viel Liebe zum Detail an. Kozlova schuf mit ihrer Deutung eine sensible, gefühlvolle Traumwelt, in der Konturen zu verwischen schienen. Die zarte Ästhetik des Werkes erklang nahezu in impressionistischem Ausdruck. Das Impromptu Ges-Dur war spielerisch, gleichsam forscher formuliert. In rauschendem Tempo reizte die russische Musikerin durchdringend pulsierend das ganze Spektrum der Klaviatur aus. Mit einem langanhaltenden Beifall honorierten die Konzertgäste die Virtuosität und Akkuratesse, mit der sich die junge Frau den großen Werken der Komponisten annimmt.
Der zweite Part des ersten Konzertes der Reihe Alsfeld Musik Art war nun Franz Liszt gewidmet. Mit dem Petrarca-Sonett Nr. 104 aus dem Werk „Années de pèlerinage“ (Pilgerjahre) zeichnete Olga Kozlova ein Bild verklärter Ästhetik der unstillbaren Sehnsucht eines Franz Liszt. In wohl Liszts favorisierter Tonart E-Dur wird das zarte Thema in dynamisch anschwellenden und raumergreifenden Arpeggien ummantelt. Zielstrebig angegangen untermalte Kozlova die Entschlossenheit jenes Werkes, dessen Intensität der Schärfe des übermäßigen Dreiklangs, welcher als vorletzter Akkord schließlich in der Tonika aufgelöst wird und zu verklingen scheint, zu verdanken ist.
Mit der Sonate Franz Liszts in h-Moll erreichte der Vortrag der bemerkenswerten russischen Ausnahmepianistin Olga Kozlova den Höhepunkt. Den makellosen Anschlägen der Pianistin haftete bei diesem Werk Schwermut an. Zunächst in tiefromantisch dunkler, doch harmonischer Couleur gestaltete Kozlova die Sonate, für die Franz Liszt sich jahrzehntelang nicht stark genug gefühlt hatte, um einem Werk von solcher Größe inneren Gehalt zu geben. Mit viel Seele und Leidenschaft nahm sich die junge Pianistin der ungehaltenen, atemlosen Komposition, welche Liszt Robert Schumann widmete, an, kostete die dynamische Auffächerung gänzlich aus und schien förmlich mit der Musik zu verschmelzen. Die melancholischen Nuancen nahmen eine gewaltige Wendung hin zu bedrohlich gleichsam leidvoll anmutenden Passagen, welche den Facettenreichtum der Sonate zeigten. Ihr herausragendes Können stellte Olga Kozlova mit diesem Beitrag noch einmal eindrücklich unter Beweis. Erst nach einigen Sekunden setzte der Applaus ein und dokumentierte, wie ergriffen das Publikum von diesem Zeugnis romantischen Ausdruckswillens war. Der donnernde Beifall ermutigte die schüchterne Pianistin noch zu einer Zugabe.