2. Konzert, 25. Mai 24
Helmut Lörscher Trio
Das Jazz-Konzert vom 11. Nov. 23 wird am 25. Mai 24 nachgeholt
6. Konzert, 27. Apr. 24
Martin Müller-Weiffenbach, Violoncello
Elena Metelskaya, Klavier
Werke von Barber, Say und Rachmaninow
Martin Müller-Weiffenbach, Violoncello
Elena Metelskaya, Klavier
Werke von Barber, Say und RachmaninowSamstag, 27. April 2024
20 Uhr
Aula der
Albert-Schweitzer-Schule,
Schillerstraße 1, 36304 Alsfeld
Die Künstler
Besetzung:
Martin Müller-Weiffenbach, Violoncello
Elena Metelskaya, Klavier
Vitae:
Elena Metelskaya wurde in Minsk, Weißrussland geboren, und besuchte ab dem Alter von 6 Jahren das Musikgymnasium „College unter der belarussischen Musikakademie“. Mit 9 Jahren gab sie ihr Debut mit Orchester in der Philharmonie Minsk und mit 10 Jahren ihren ersten Klavierabend mit Musik von Bach.
Nach vielen Erfolgen bei nationalen und internationalen Wettbewerben- so war sie mit 17 Jahren Preisträgerin des Internationalen Bachwettbewerbs in Saarbrücken (1992), sowie des Internationalen Dvarionas Klavierwettbewerbs in Vilnius, Litauen war sie schon früh gerngesehener Gast nationaler und internationaler Konzertreihen.
Ab 1992 studierte sie Klavier an der Nationalen Belarussischen Musikakademie in Minsk und machte 1997 ihr Magister-Examen. Neben ihrer Konzerttätigkeit in Weißrussland, Litauen, Estland, Russland, Georgien, Polen, China und Deutschland, lehrte Elena Metelskaya ab 2002 als Professorin an der Staatlichen Weißrussischen Musikakademie und am Musikgymnasium in Minsk, wo sie während ihrer langjährigen Tätigkeit viele erfolgreiche Schüler und mehr als 20 internationale Preisträger hervorbrachte.
Elena Metelskaya gibt außerdem viele Meisterkurse (Weißrussland, Litauen, Deutschland, China). Daneben ist sie Autorin von ca. 15 wissenschaftlichen Arbeiten über Bach und Bach-Interpretation. Ab 2015 lebt Elena Metelskaya in Weimar.
Martin Müller-Weiffenbach wurde in Alsfeld/Hessen geboren und begann das Cellospiel mit 7 Jahren bei Renate Glitsch. Er studierte Cello an der Musikhochschule Köln in der Klassen von Professor Maria Kliegel und Kammermusik in der Klasse des Amadeus Quartetts.
Nach dem Examen folgte ein Aufbaustudium am Conservatoire National Superieur de Paris bei Prof. Michel Strauss. Martin Müller-Weiffenbach ist Preisträger des Internationalen Kammermusikwettbewerbs „ Forum de Normandie“ und war Stipendiat der „Societe Generale“, sowie der Richard-Wagner-Stiftung.
Neben seiner Konzerttätigkeit in Deutschland, Frankreich, Schweiz, Tschechische Republik, Slowakei, Belarus, USA, Polynesien sowie Rundfunkaufnahmen und CD-Produktionen, widmete er sich intensiv der Cellopädagogik , hauptsächlich während seiner langjährigen Unterrichtstätigkeit als Professor am Genfer Musikkonservatorium sowie an der Berner Musikhochschule mit Vorlesungen über Didaktik.
Viele seiner Schüler, wie z.B. Axelle Richez (Verbier-Festival-Orchester) beginnen vielversprechende internationale Karrieren. Weiterhin unterrichtet Martin Müller-Weiffenbach auf vielen Musikkursen und Meisterklassen in Europa.
2002 absolvierte er an der Universität Zürich Winterthur ein « Master in Kultur-Management ».
Zusammen mit seiner Frau Elena Metelskaya gründete er 2017 den Kultur-Raum-Löfflerhaus in Gotha.
www.loefflerhaus.com
Programm
Samuel Barber: (1910-1981)
Sonate für Klavier und Cello op. 6 in c-Moll (1932)
-Allegro ma non troppo
-Adagio-Presto-Adagio
-Allegro appassionato
Fazıl Say: (*1970)
„Dört Sehir“ (‚Vier Städte‘, 2012)
-Sivas
-Hopa
-Ankara
-Bodrum
------- PAUSE -------
Sergej Rachmaninov: (1873-1943)
Sonate für Cello und Klavier g-Moll op. 19 (1901)
-Lento – Andante moderato
-Allegro scherzando
-Andante
-Allegro mosso
Programm-betrachtungen
Dreimal zwanzigstes Jahrhundert, fast so vielgestaltig wie dieses, dreimal Cello und Klavier im und aus diesem zwanzigsten Jahrhundert, faszinierende Werke, freilich keine musikalische ‚Moderne‘ darunter, vielmehr – wenn wir uns vor gut wieder ablösbaren Etiketten nicht scheuen – : späte Spätromantik (Rachmaninow), Post- oder Neuromantik (Barber) und, als Mittelstück des Aufführungs-Triptychons gleichsam: Postmoderne. Ein zeitgemäßes, erkenntnisreiches Stelldichein Unzeitgemäßer …
Ein Werk gibt es von ihm, das fast jeder kennt: das „Adagio for Strings“ (1936/38) nämlich – oft adaptiert und verwendet –, und ein gleichfalls bisweilen aufgeführtes, welches demjenigen, für den‘s geschrieben, als unspielbar galt (das Gegenteil war allerdings bald und schnell bewiesen): Samuel Barbers Violinkonzert (1939) mit dem rasenden ‚Perpetuum mobile‘ als 3. Satz; 1949, in seiner Klaviersonate, unter Einbezug der kompositorischen Moderne, streifte Barber nochmals Grenzen zum Unspielbaren.
Vor all jenen Werken, als junger Mann von gerade 22 Jahren, während Samuel Barber das Studium beendete, verfasste er 1932 seine Cellosonate; wie das Gros seines ‚überschaubaren‘ kammermusikalischen Œuvres mithin eine Frucht noch der Studentenzeit, in der Barber auch seinen langjährigen Lebensgefährten, den späteren Opernkomponisten, -librettisten und -regisseur Gian Carlo Menotti kennenlernte. Erst Jahre später, unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg, bedachte Barber das Violoncello erneut solistisch, in einem selten dargebotenen Werk von gleichfalls extraordinärem spieltechnischem Anspruch: seinem Cellokonzert.
Formal und stilistisch wagt Samuel Barber (1910-1981) in seiner Sonate für Violoncello und Klavier keine großen Experimente, hier ist er (und bleibt auch später zumeist) Traditionalist, einer, der sich harmonisch im 19. Jahrhundert bewegt und formal an den Sonaten der Wiener Klassik orientiert. Immerhin nimmt er sich die Freiheit, Adagio und Scherzo in einem Satz zu verbinden, im Sinne einer Vereinigung von Gegensätzen. Zwischen den Polen Vitalismus und klassizistischer Glättung figuriert Barbers frühes Œuvre und so auch die Sonate für Violoncello, die damit eine Art ‚American Way of Cello‘ elaboriert.
Drei Faktoren prägten den Barberschen Stil maßgeblich: dass sein Lehrer Rosario Scalero (auch Widmungsträger der Cellosonate) als Paganini-Enkelschüler italienische Einflüsse ins Spiel brachte, dass derselbe als Kompositionsschüler des Brahms-Freundes Eusebius Mandyczewski die deutsche Romantik vermittelte, und dass Barber selbst ursprünglich Sänger hatte werden wollen – was die häufige Kantabilität und Lyrizität seines Komponierens wohl mit erklärt.
Ein großes, farbenreiches und – was Wunder – fast filmmusikalisch anmutendes Orchesterwerk hat Fazıl Say 2009 der türkischen Metropole gewidmet: die „Istanbul Symphony“, sieben Sätze Programm-Musik. Drei Jahre später schrieb der 1970 geborene türkische Star-Pianist, Komponist und Bürgerrechtler vier Kammermusik-Sätze auf Städte aus verschiedenen Regionen des weitläufigen Anatolien: die Sonate „Dört Şehir“/ ‚Vier Städte‘, in die er zahlreiche türkische Lieder und Songs einarbeitete.
Sivas, der ihr erster Satz gilt, ist eine mittlere Großstadt in Zentralanatolien, östlich von Ankara, mit traditioneller Prägung und hohem alevitischen Bevölkerungsanteil. Dazu passend ist der Eingangssatz durch das Lied ‚Meine Saz‘ des alevitischen Dichtermusikers Âşık Veysel Şatıroğlu (1894-1973) inspiriert und imitiert zum Schluss hin den Klang des Lauteninstrumentes Saz.
Hopa, Titelgeberin des zweiten Satzes, ist eine Kleinstadt im Nordosten der Türkei, am Schwarzen Meer gelegen und Hauptstadt des an Georgien grenzenden gleichnamigen Landkreises. Hier haben wir es mit einer ländlichen Region zu tun; und Say arbeitet deren Volkstänze, vor allem den schnellen „Horon“ im 7/16-Metrum in diesen quasi Scherzo-Satz ein, zusammen mit dem Klangbild der Kemençe, des traditionellen Streichinstruments aus der Schwarzmeer-Region. Darüber hinaus klingen Volkstänze und -lieder aus dem georgischen, kaukasischen und lasischen Kulturraum an.
Ankara, ‚Vor-Bild‘ des dritten, langsamen Satzes, ist nicht nur, seit Kemal Atatürk, die Hauptstadt der Türkei, sondern auch Fazıl Says Geburts- und Kindheitsort – und mit fast 6 Millionen Einwohnern die nach Istanbul zweitgrößte Stadt des Landes. Say komponiert diesen vorletzten Satz, denjenigen auf die Repräsentantin der türkischen Republik, als Trauermarsch und lässt im Mittelteil ein Revolutionslied aus der Zeit des 1. Weltkriegs aufscheinen; damit entwirft er ein wohl eher durchwachsenes Bild von Freiheit und Liberalität ‚seines‘ Staates.
Bodrum, Namenspatronin des Finalsatzes, ist eine Großstadtgemeinde im Südwesten der Türkei, ein Touristenort an der Ägäis. In der Bodrumer ‚Pracht‘-Straße „Cumhurriyet Caddesi“ reihen sich Kneipen und Bars aneinander; in Entsprechung zu den daraus resultierenden akustischen Eindrücken mischt Fazıl Say hier diverse Stile bis hin zu Jazz und Popularmusik, zusammengehalten durch einen swingenden Groove. Zu hören sind dabei unter anderen die Songs ‚Beneath the Stars‘ des aus Bodrum stammenden Musikers Zeki Müren und ‚I’m on a long and narrow road‘ von Âşık Veysel, womit sich der Kreis zum ersten Satz schließt. In einem Lokal enden dann Satz und Sonate, humoristisch: mit der musikalischen Umsetzung bzw. Stilisierung einer Kneipen-Rangelei.
Dem einen komponierenden Pianisten – oder: Komponisten, der zuerst und in der Wahrnehmung zunächst einmal Weltklasse-Pianist war, folgt in diesem Konzertabend ein zweiter, auf den das zutrifft, wiewohl wir ihn heute mehr als Tonschöpfer denn als reproduzierenden Musiker betrachten: Sergej Wassilijewitsch Rachmaninow (1873-1943). Sahen und hörten wir uns mit Fazıl Say einer einflussreichen Künstlerpersönlichkeit unserer Jahrhundertwende-Zeit gegenüber, so tritt nun eine bedeutende Figur jener Wendezeit davor in unsere Wahrnehmung, der Jahrhundertwende zum 20., dem wohl turbulentesten und zugleich brutalsten Säkulum der Menschheits-Geschichte überhaupt. Für ihn, Rachmaninow, war das erste Jahr des neuen Jahrhunderts ein entscheidendes, führte es ihn doch aus einer langen und tiefen Depression. Dies zuvörderst mit seinem später zum ‚Hit‘ gewordenen 2. Klavierkonzert; er widmete es jenem Arzt, der ihm, mittels Hypnose vor allem, Wege aus der psychischen Krise gezeigt hatte: Nikolai Dahl. Mit Blick auf ihn, den auch Cello spielenden Mediziner, schrieb Rachmaninow wenig später auch seine Sonate für Violoncello und Klavier; gewidmet ist sie allerdings dem Cellisten Anatoli Brandukow, der seinerseits ‚mitverantwortlich‘ dafür war, dass Sergej Rachmaninow außer zum Klavier zu einem weiteren Instrument, eben dem Violoncello, eine Neigung und Beziehung entwickelte.
Mit der Cellosonate von 1901 gelangt Rachmaninow in seiner neuen Schaffensphase zu einer neuartigen Ausdrucksweise, bei der nicht mehr Virtuosität und pianistische Brillanz im Vordergrund stehen, sondern motivische Dichte, melodische und harmonische Erfindung sowie emotionale Kontraste; hier kommt über die Geschultheit an Liszt und Tschaikowski hinaus ein fast Brahmsscher Impetus zur Geltung. Der Kopfsatz folgt der klassischen Sonatenhauptsatzform mit romantischen Ausbrüchen und Kulminationen (vor allem im Zuge der ins Orchestrale ausgreifenden Durchführung); nach einer Introduktion mit Ein- und dialogischer Vorführung des aufsteigenden Sekundschrittschrittes als Keimzelle des Ganzen wird das Hauptthema vom Violoncello exponiert, das Seitenthema vom Klavier. Und nach manch verhaltenen Passagen im dritten, dem Reprisen-Satzteil endet das Eingangs-Allegro fast lakonisch. Der sich anschließende Scherzosatz scheint sodann die vorromantische Doppelgesichtigkeit von Sturm und Drang auf der einen, Empfindsamkeit auf der anderen Seite aufzugreifen. Licht und Schatten gleichsam thematisiert der ‚langsame‘ dritte Satz zwischen sich steigerndem romantischem Aussingen, Klangballungen und Zartheit bis ins Ätherische.
Abermals der Sonatensatzformung mit der Abfolge Exposition, Durchführung, Reprise und Coda entspricht das Finale, bei allem Drängen sehr lyrisch und melodiös ausgerichtet, wobei nun das Cello beide Themen vorbringt und das Klavier seine Rolle vornehmlich in filigraner bis satter, auch durchaus virtuoser Grundierung sowie in perkussiven und repetitiven Akzenten findet. Die ganze Sonate ist gekennzeichnet durch formale Klarheit und Ausgewogenheit.
Ob Rachmaninows Cellosonate mit ihrer ‚Aufgeräumtheit‘ bei gleichzeitiger spätromantischer Expressivität uns heutige ein wenig aus der so viele Bereiche umgreifenden, nahezu unauflöslich scheinenden allgemeinen Depression helfen kann, ist eine Frage, die jede/r einzelne für sich beantworten möge.