Interaktion und Solo für Cello und Klangschalen
Mit Sören Uhde, Martin Müller Weiffenbach und Wolfgang Kühnl gastierten ehemalige Alsfelder am Sonntag zum Abschluss von Alsfeld Musik Art
Oberhessische Zeitung, 16. April 13
Martin G. Günkel
Martin G. Günkel
Alsfeld. Durch ihr ebenso lebendiges wie akkurates Zusammenspiel erwecken Sören Uhde (Violine), Martin Müller-Weiffenbach (Cello und Komposition) und Wolfgang Kühnl (Klavier) ganz unterschiedliche Kompositionen zum Leben und machen sie zu packenden Erlebnissen. Vor rund 200 Besuchern konzertierten sie in der Aula der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule.
Es war das Saison-Abschlusskonzert der Reihe Alsfeld Musik Art mit dem Titel „Alsfelder Künstler zurück in ihrer (einstigen) Heimat“.
Sören Uhde und Wolfgang Kühnl eröffneten das Konzert mit der Sonate für Violine und Klavier in A-dur von César Franck. Die ersten drei Sätze lenken die Aufmerksamkeit tendenziell zur Geige, doch der Klavierpart ist keinesfalls zu unterschätzen. Er gibt dem Ganzen in erheblichem Maße Farbe und Form. Erst im letzten Satz kommt es wirklich zu einem Dialog zwischen beiden Instrumenten.
Der erste Satz begann geradezu zauberhaft leise, alle dynamischen Steigerungen legten die Musiker subtil und fließend hin. Von Beginn an bewiesen sie sehr viel Sinn für Dramaturgie. Die Grundstimmung des ersten Satzes war insgesamt gelöst. Nur gelegentlich kam Anspannung hinein, die sich aber immer wieder zugunsten eines spielerischen Moments auflöste.
Im zweiten Satz war es beinahe umgekehrt. Über weite Teile dominierte das Dramatische, ein spielerisches Moment schien für kurze Momente hindurch. Schön inszenierten die beiden Interpreten auch, wie die Musik zwischendurch erstarrt, sich diese Erstarrung aber ziemlich bald wieder löst. Sören Uhdes Ton war sehr singend, was er unter anderem mit einem meist intensiven, sehr gut dosierten Vibrato erreichte. Wolfgang Kühnl reagierte stets bestens auf Uhde ein. Er spielte mal perlend und flüssig, mal trocken, mal etwas dazwischen – wie es gerade passte. Nach einem insgesamt dramatischen dritten Satz begann der vierte mit gelösterer Stimmung. Auch hier kamen wieder Anspannungen durch, die die Musiker einfühlsam inszenierten.
Martin Müller-Weiffenbach hatte seinen ersten Auftritt mit seinem eigenen Adagio für Cello solo und Klangschale in E. Das ist atonale Musik, deren Melodiebögen über weite Teile Fetzen sind. Das und der eigentümliche Dialog zwischen zwei Klangschalen und dem Cello sorgten für eine entrückte Stimmung, schufen eine Atmosphäre des Unwirklichen und des Geheimnisvollen.
Die Klangschalen schlug Müller-Weiffenbach mit einem Schlegel an, den er an seinem Fuß befestigt hatte. Alternativ spielte er sie mit dem Cello-Bogen, indem er sie mit dem Holz anschlug oder auch mit den Bogenhaaren strich. Damit gewann er ihnen eine enorme Bandbreite an Klangfarben ab. Auch dem Cello entlockte er Farben, die nicht jeden Tag zu erleben sind. So spielte er viele Glissandi (Gleiten der Tonhöhen), wobei er oft absichtlich die „richtige“ Tonhöhe verließ, ohne in der nächsten „richtigen“ anzukommen. Mit viel Vibrato spielte er singende, sehr sonore Pizzicato-Blockakkorde. Manchmal schlug er die Cello-Saiten mit dem Holz des Bogens an oder zupfte Saiten mit der Greifhand, während er eine andere Saite strich. Eine faszinierende Aufführung, für die Müller-Weiffenbach großen Applaus bekam.
Wie der Alsfelder Musikwissenschaftler Walter Windisch-Laube im Programmheft des Konzerts zu Recht schreibt, ist nicht jeder Tango von Astor Piazzolla unbedingt zum Tanzen geeignet. „Le Grand Tango“ für Violoncello und Klavier ist eines der Beispiele dafür. Es ist eine komplexe Komposition, die stellenweise ein bisschen aufgeregt wirkt. Umso mehr gefiel es, wie Martin Müller-Weiffenbach und Wolfgang Kühnl die Spannung hielten.
Nach der Pause waren die drei Beteiligten im Trio zu hören, wobei das Zusammenspiel so gut funktionierte wie zuvor in den beiden Duo-Besetzungen. Das Trio für Violine, Violoncello und Klavier „Dumky“ op. 90 von Antonín Dvorák richtet sich nicht nach der klassischen Sonatenform, sondern besteht – wie der Titel sagt – aus sechs Dumky. Das ist der Plural von „Dumka“, was eine Gattung slawischer Volkslieder bezeichnet. Die Bandbreite der musikalischen Stimmungen ist enorm groß, und die Rollenverteilung unter den Instrumenten bezüglich Melodie und Begleitung wechselt permanent. All das bildeten die Musiker lebendig und flüssig ab – dank ihrer hervorragenden Interaktion. Für den lang anhaltenden Applaus bedankte sich das Trio mit einer melodischen und sehr emotionalen Zugabe: dem zweiten Satz aus Felix Mendelssohn Bartholdys Klaviertrio in d-moll.
Von ihrer einstigen Heimat aus hat es die drei Musiker an ganz unterschiedliche Orte verschlagen. Sören Ude ist Professor in Würzburg, wo er außerdem Primarius des Residenz-Quartetts ist und künstlerischer Leiter und Konzertmeister des Kammerorchesters Camerata Würzburg. Martin Müller-Weiffenbach ist Cellist und Komponist. Er lehrt am Conservatoire de Musique in Genf, hat Rundfunkaufnahmen und CDs gemacht und konzertiert regelmäßig mit den Pianisten Alexander Urvalov und Monika Mockovcakova. Wolfgang Kühnl lehrt in Berlin. Seine musikalischen Tätigkeiten sind vielfältig. So arbeitet er als Orchesterpianist unter anderem mit den Berliner Philharmonikern zusammen, um ein Beispiel zu nennen. Mit seinem Trio Apollo gewann er 2006 den Echo-Klassikpreis.
Es war das Saison-Abschlusskonzert der Reihe Alsfeld Musik Art mit dem Titel „Alsfelder Künstler zurück in ihrer (einstigen) Heimat“.
Sören Uhde und Wolfgang Kühnl eröffneten das Konzert mit der Sonate für Violine und Klavier in A-dur von César Franck. Die ersten drei Sätze lenken die Aufmerksamkeit tendenziell zur Geige, doch der Klavierpart ist keinesfalls zu unterschätzen. Er gibt dem Ganzen in erheblichem Maße Farbe und Form. Erst im letzten Satz kommt es wirklich zu einem Dialog zwischen beiden Instrumenten.
Der erste Satz begann geradezu zauberhaft leise, alle dynamischen Steigerungen legten die Musiker subtil und fließend hin. Von Beginn an bewiesen sie sehr viel Sinn für Dramaturgie. Die Grundstimmung des ersten Satzes war insgesamt gelöst. Nur gelegentlich kam Anspannung hinein, die sich aber immer wieder zugunsten eines spielerischen Moments auflöste.
Im zweiten Satz war es beinahe umgekehrt. Über weite Teile dominierte das Dramatische, ein spielerisches Moment schien für kurze Momente hindurch. Schön inszenierten die beiden Interpreten auch, wie die Musik zwischendurch erstarrt, sich diese Erstarrung aber ziemlich bald wieder löst. Sören Uhdes Ton war sehr singend, was er unter anderem mit einem meist intensiven, sehr gut dosierten Vibrato erreichte. Wolfgang Kühnl reagierte stets bestens auf Uhde ein. Er spielte mal perlend und flüssig, mal trocken, mal etwas dazwischen – wie es gerade passte. Nach einem insgesamt dramatischen dritten Satz begann der vierte mit gelösterer Stimmung. Auch hier kamen wieder Anspannungen durch, die die Musiker einfühlsam inszenierten.
Martin Müller-Weiffenbach hatte seinen ersten Auftritt mit seinem eigenen Adagio für Cello solo und Klangschale in E. Das ist atonale Musik, deren Melodiebögen über weite Teile Fetzen sind. Das und der eigentümliche Dialog zwischen zwei Klangschalen und dem Cello sorgten für eine entrückte Stimmung, schufen eine Atmosphäre des Unwirklichen und des Geheimnisvollen.
Die Klangschalen schlug Müller-Weiffenbach mit einem Schlegel an, den er an seinem Fuß befestigt hatte. Alternativ spielte er sie mit dem Cello-Bogen, indem er sie mit dem Holz anschlug oder auch mit den Bogenhaaren strich. Damit gewann er ihnen eine enorme Bandbreite an Klangfarben ab. Auch dem Cello entlockte er Farben, die nicht jeden Tag zu erleben sind. So spielte er viele Glissandi (Gleiten der Tonhöhen), wobei er oft absichtlich die „richtige“ Tonhöhe verließ, ohne in der nächsten „richtigen“ anzukommen. Mit viel Vibrato spielte er singende, sehr sonore Pizzicato-Blockakkorde. Manchmal schlug er die Cello-Saiten mit dem Holz des Bogens an oder zupfte Saiten mit der Greifhand, während er eine andere Saite strich. Eine faszinierende Aufführung, für die Müller-Weiffenbach großen Applaus bekam.
Wie der Alsfelder Musikwissenschaftler Walter Windisch-Laube im Programmheft des Konzerts zu Recht schreibt, ist nicht jeder Tango von Astor Piazzolla unbedingt zum Tanzen geeignet. „Le Grand Tango“ für Violoncello und Klavier ist eines der Beispiele dafür. Es ist eine komplexe Komposition, die stellenweise ein bisschen aufgeregt wirkt. Umso mehr gefiel es, wie Martin Müller-Weiffenbach und Wolfgang Kühnl die Spannung hielten.
Nach der Pause waren die drei Beteiligten im Trio zu hören, wobei das Zusammenspiel so gut funktionierte wie zuvor in den beiden Duo-Besetzungen. Das Trio für Violine, Violoncello und Klavier „Dumky“ op. 90 von Antonín Dvorák richtet sich nicht nach der klassischen Sonatenform, sondern besteht – wie der Titel sagt – aus sechs Dumky. Das ist der Plural von „Dumka“, was eine Gattung slawischer Volkslieder bezeichnet. Die Bandbreite der musikalischen Stimmungen ist enorm groß, und die Rollenverteilung unter den Instrumenten bezüglich Melodie und Begleitung wechselt permanent. All das bildeten die Musiker lebendig und flüssig ab – dank ihrer hervorragenden Interaktion. Für den lang anhaltenden Applaus bedankte sich das Trio mit einer melodischen und sehr emotionalen Zugabe: dem zweiten Satz aus Felix Mendelssohn Bartholdys Klaviertrio in d-moll.
Von ihrer einstigen Heimat aus hat es die drei Musiker an ganz unterschiedliche Orte verschlagen. Sören Ude ist Professor in Würzburg, wo er außerdem Primarius des Residenz-Quartetts ist und künstlerischer Leiter und Konzertmeister des Kammerorchesters Camerata Würzburg. Martin Müller-Weiffenbach ist Cellist und Komponist. Er lehrt am Conservatoire de Musique in Genf, hat Rundfunkaufnahmen und CDs gemacht und konzertiert regelmäßig mit den Pianisten Alexander Urvalov und Monika Mockovcakova. Wolfgang Kühnl lehrt in Berlin. Seine musikalischen Tätigkeiten sind vielfältig. So arbeitet er als Orchesterpianist unter anderem mit den Berliner Philharmonikern zusammen, um ein Beispiel zu nennen. Mit seinem Trio Apollo gewann er 2006 den Echo-Klassikpreis.
Feinsinniges Zusammenspiel mit viel Liebe zum Detail
Annelien Van Wauwe und Lucas Blondeel spielten hr2-Gastkonzert bei Alsfeld Musik Art
Oberhessische Zeitung, 18. März 13
Martin G. Günkel
Martin G. Günkel
Alsfeld. Einmal pro Saison gibt es in der Konzertreihe Alsfeld Musik Art ein Gastkonzert des Hessischen Rundfunks. Die Klarinettistin Annelien van Wauwe und der Pianist Lucas Blondeel spielten ein Programm mit Musik des 19. und 20. Jahrhunderts.
Die beiden belgischen Musiker waren wunderbar aufeinander eingespielt, was sich unter anderem an ihrer Feinsinnigkeit beim gemeinsamen Gestalten von Dynamik zeigte. Sie reagierten bei kleinsten Nuancen aufeinander und zeigten außerdem einen großen Sinn für Gesamtdramaturgie und den Auf- und Abbau von Spannung.
Diese Qualitäten zeigten sich gleich beim ersten Stück, Claude Debussys „Première Rhapsodie pour clarinette et piano“. Ihre ersten Noten hauchten sie förmlich hin. Sehr schön war eine längere Passage, bei der wenige lange Noten der Klarinette über einem bewegteren und von Lucas Blondeel mit enormer Lockerheit gespielten Klavierpart liegt. Der schwebende Charakter dieser Musik war sehr ansprechend. Übergänge ins Wilde und wieder zurück gestalteten die beiden sehr flüssig und über viele Bögen hinweg.
Die Nachtlieder für Klarinette und Klavier vom 1958 geborenen finnischen Komponisten Esa-Pekka Salonen sind weit weg von der klassischen Tonalität. Beim ersten der Nachtlieder („Sehr innig“) spielen die Instrumente abwechselnd und fast nie zusammen. In Verbindung mit der Harmonik und Melodik ergibt das ein Gefühl von Verlorenheit, das in der Interpretation van Wauwes und Blondeels stark zur Geltung kam.
Das zweite Lied („Zart“) fängt ebenfalls mit diesem Wechselspiel zwischen den beiden Instrumenten an, aber sie finden im Verlauf der Komposition zusammen. Zum Ende hin hat die Musik etwas Beruhigendes. Beim dritten Lied („Frei, wie Kadenz“) gingen die Interpreten bis an die dynamischen Grenzen – nach oben wie nach unten. Beim vierten Stück spielen beide Instrumente meist gleichzeitig, aber doch nebeneinander her. Um das zu spielen, müssen zwei Interpreten einander blind verstehen – was bei van Wauwe und Blondeel der Fall ist. Die beiden Musiker machten mit ihrer Spielweise die atonale Musik sehr zugänglich. Dennoch fühlte es sich wie ein Nachhausekommen an, als sie die Sonate für Klavier und Klarinette Es-Dur op. 120,2 von Johannes Brahms spielten. Die Grundstimmung des ersten Satzes ist schwärmerisch und verträumt, was van Wauwe mit einem warmen weichen Ton, Blondeel mit einem runden, aber nie zu fetten Klavierklang transportierte. Der zweite Satz war voller Dramatik und Schmerz und ließ von der emotionalen Ausgeglichenheit des ersten Satzes nichts mehr spüren. Der dritte und letzte Satz war sehr beruhigend. Die Aufgewühltheit des zweiten Satzes kam gelegentlich durch, löste sich aber auf. Auch bei der Brahms-Komposition kam die Gesamtdramaturgie ebenso zur Geltung wie die vielen Feinheiten des musikalischen Dialogs.
Francis Poulencs „Sonate pour clarinette et piano“ op. 184 ist – entgegen dem Klischee so genannt er Neuer Musik – sehr zugänglich. Der erste Satz beginnt mit einer sehr aufgeregten Grundstimmung, die auch dann spürbar bleibt, wenn Harmonik und Melodik zum Lustigen tendieren. Nach einiger Zeit wird die Musik an sich ruhiger, aber es bleibt eine enorme innere Anspannung, die sich erst nach und nach legt. Das vollzogen van Wauwe und Blondeel hervorragend nach. Der zweite Satz war zumeist verträumt, mit einem Hauch von Melancholie. Der dritte verband auf eigentümliche Weise Verspieltheit und Aggression.
Mit Robert Schumanns Fantasiestücken op. 73 für Klavier und Klarinette kam noch einmal ein romantisches Werk zum Zuge, bei dem die beiden Interpreten einen feinen musikalischen Dialog zelebrierten. Bei der „Fantasia da concerto su motivi del ‘Rigoletto’ di Giuseppe Verdi“ von Luigi Bassi hatte das Klavier meistens eine reine Begleitfunktion. Blondeel ging auch dabei stets feinfühlig auf das Spiel van Wauwes ein. Wie die beiden Musiker das Tempo anrollen lassen können, kam bei diesen populären Melodien Verdis wunderbar zum Zuge. Reich verzierte Läufe in den Variationen spielte van Wauwe besonders flüssig.
Als grandiose Zugabe spielte das Duo „L’amour est un oiseau rebelle“ aus Georges Bizets Oper Carmen – für Klarinette und Klavier bearbeitet von Nicolas Baldeyrou.
Eine Aufzeichnung des jüngsten Konzerts der Reihe wird am Sonntag, 7. Juli, ab 20.05 Uhr bei hr2-kultur zu hören sein.
Die beiden belgischen Musiker waren wunderbar aufeinander eingespielt, was sich unter anderem an ihrer Feinsinnigkeit beim gemeinsamen Gestalten von Dynamik zeigte. Sie reagierten bei kleinsten Nuancen aufeinander und zeigten außerdem einen großen Sinn für Gesamtdramaturgie und den Auf- und Abbau von Spannung.
Diese Qualitäten zeigten sich gleich beim ersten Stück, Claude Debussys „Première Rhapsodie pour clarinette et piano“. Ihre ersten Noten hauchten sie förmlich hin. Sehr schön war eine längere Passage, bei der wenige lange Noten der Klarinette über einem bewegteren und von Lucas Blondeel mit enormer Lockerheit gespielten Klavierpart liegt. Der schwebende Charakter dieser Musik war sehr ansprechend. Übergänge ins Wilde und wieder zurück gestalteten die beiden sehr flüssig und über viele Bögen hinweg.
Die Nachtlieder für Klarinette und Klavier vom 1958 geborenen finnischen Komponisten Esa-Pekka Salonen sind weit weg von der klassischen Tonalität. Beim ersten der Nachtlieder („Sehr innig“) spielen die Instrumente abwechselnd und fast nie zusammen. In Verbindung mit der Harmonik und Melodik ergibt das ein Gefühl von Verlorenheit, das in der Interpretation van Wauwes und Blondeels stark zur Geltung kam.
Das zweite Lied („Zart“) fängt ebenfalls mit diesem Wechselspiel zwischen den beiden Instrumenten an, aber sie finden im Verlauf der Komposition zusammen. Zum Ende hin hat die Musik etwas Beruhigendes. Beim dritten Lied („Frei, wie Kadenz“) gingen die Interpreten bis an die dynamischen Grenzen – nach oben wie nach unten. Beim vierten Stück spielen beide Instrumente meist gleichzeitig, aber doch nebeneinander her. Um das zu spielen, müssen zwei Interpreten einander blind verstehen – was bei van Wauwe und Blondeel der Fall ist. Die beiden Musiker machten mit ihrer Spielweise die atonale Musik sehr zugänglich. Dennoch fühlte es sich wie ein Nachhausekommen an, als sie die Sonate für Klavier und Klarinette Es-Dur op. 120,2 von Johannes Brahms spielten. Die Grundstimmung des ersten Satzes ist schwärmerisch und verträumt, was van Wauwe mit einem warmen weichen Ton, Blondeel mit einem runden, aber nie zu fetten Klavierklang transportierte. Der zweite Satz war voller Dramatik und Schmerz und ließ von der emotionalen Ausgeglichenheit des ersten Satzes nichts mehr spüren. Der dritte und letzte Satz war sehr beruhigend. Die Aufgewühltheit des zweiten Satzes kam gelegentlich durch, löste sich aber auf. Auch bei der Brahms-Komposition kam die Gesamtdramaturgie ebenso zur Geltung wie die vielen Feinheiten des musikalischen Dialogs.
Francis Poulencs „Sonate pour clarinette et piano“ op. 184 ist – entgegen dem Klischee so genannt er Neuer Musik – sehr zugänglich. Der erste Satz beginnt mit einer sehr aufgeregten Grundstimmung, die auch dann spürbar bleibt, wenn Harmonik und Melodik zum Lustigen tendieren. Nach einiger Zeit wird die Musik an sich ruhiger, aber es bleibt eine enorme innere Anspannung, die sich erst nach und nach legt. Das vollzogen van Wauwe und Blondeel hervorragend nach. Der zweite Satz war zumeist verträumt, mit einem Hauch von Melancholie. Der dritte verband auf eigentümliche Weise Verspieltheit und Aggression.
Mit Robert Schumanns Fantasiestücken op. 73 für Klavier und Klarinette kam noch einmal ein romantisches Werk zum Zuge, bei dem die beiden Interpreten einen feinen musikalischen Dialog zelebrierten. Bei der „Fantasia da concerto su motivi del ‘Rigoletto’ di Giuseppe Verdi“ von Luigi Bassi hatte das Klavier meistens eine reine Begleitfunktion. Blondeel ging auch dabei stets feinfühlig auf das Spiel van Wauwes ein. Wie die beiden Musiker das Tempo anrollen lassen können, kam bei diesen populären Melodien Verdis wunderbar zum Zuge. Reich verzierte Läufe in den Variationen spielte van Wauwe besonders flüssig.
Als grandiose Zugabe spielte das Duo „L’amour est un oiseau rebelle“ aus Georges Bizets Oper Carmen – für Klarinette und Klavier bearbeitet von Nicolas Baldeyrou.
Eine Aufzeichnung des jüngsten Konzerts der Reihe wird am Sonntag, 7. Juli, ab 20.05 Uhr bei hr2-kultur zu hören sein.
Mitreißendes, komplexes Zusammenspiel
Das Helmut Lörscher Trio gastierte in der Konzertreihe Alsfeld Musik Art mit von Bach inspiriertem Jazz
Oberhessische Zeitung, 18. Februar 13
Martin G. Günkel
Martin G. Günkel
Alsfeld. Jazz, der von der Musik Johann Sebastian Bachs inspiriert ist, gibt es seit Jahrzehnten, aber es finden sich immer wieder neue Möglichkeiten, daraus etwas Eigenes zu machen. Das Helmut Lörscher Trio bot mit seinem Programm „badinerie – reflections in jazz“ eine sehr moderne Spielart davon in der Konzertreihe Alsfeld Musik Art.
Helmut Lörscher fungiert im Trio als Komponist, Pianist und Arrangeur. Für den Stamm-Bassisten Bernd Heitzler war in Alsfeld Henning Sieverts eingesprungen. Am Schlagzeug saß, wie gewohnt, Harald Rüschenbaum. Sie alle sind im Jazz alles andere als unbekannt, und viele Besucher waren in die Aula der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule gekommen, um die Musik des Trios zu hören.
Die meisten Stücke hatte Helmut Lörscher auf Basis von Stücken Johann Sebastian Bachs geschrieben, einige waren gänzlich eigenständige Stücke Lörschers mit Kompositionstechniken, die Bach öfter verwendet hat. Der Grundverlauf war stark ausarrangiert, alle Musiker hatten Notenpapier vor sich liegen. Innerhalb dieses Verlaufs war aber jede Menge Raum für Improvisation.
Das Moderne an der Musik bestand vor allem darin, dass alle drei Musiker stets sehr solistisch agierten und interagierten – statt, wie im klassischen Jazz, klare Rollen in Sachen Rhythmus und Solo zu verteilen.
Die Rhythmen waren meist ausgesprochen komplex und hatten wenig mit den erdigen Rhythmen des frühen Jazz zu tun. Die Musik des Helmut Lörscher Trios war trotz ihrer Komplexität bestens zugänglich, selbst dann, wenn sie die Tonalität komplett verließ.
Einer der Gründe dafür lag darin, dass Helmut Lörscher auf die Ruhelosigkeit mancher moderner Jazzmusik verzichtete. Seine Melodik war stets klar und nachvollziehbar, sehr schnelle Läufe setzte er nur gelegentlich als Verzierungen ein. Wichtig sind in Lörschers Spiel Klangfarben, die er durch bestimmte Harmonien erzeugen kann (im Jazz kann man Akkorde beliebig erweitern und dadurch einfärben, einfache Dreiklänge sind sehr selten). Mit diesen Farben ging er nie beliebig um.
Wenn Lörscher Themen aus Kompositionen Bachs verwendete, spielte er sie in der Regel nur kurz an und variierte sie sehr bald. Von diesem bestimmten Bach-Klang bewegte er sich sehr häufig weg, um mit Melodik und Harmonik auf eigene Weise zu spielen.
Eine eigene Komposition Lörschers ist eine Passacaglia, die auf einer Zwölfton-Basslinie basiert. Als Lörscher dieses Stück ankündigte, dürften etliche Besucher etwas völlig Schräges erwartet haben, das vom bis dahin Gehörten abweichen würde. Das war aber keineswegs der Fall, sondern Lörscher hatte die Töne der Basslinie so aneinandergereiht, dass sie stimmige Harmonien ergaben. Diese Harmonien hatten zwar keinen Bezug zueinander im Sinne einer durchgehenden Tonart, aber sie ergaben Orientierungspunke. Lörschers Stück „Avallone – fast ein Kanon“ war erheblich dissonanter als die Passacaglia.
Henning Sieverts hatte auf seinem Bass einen dicken Ton – auch dann, wenn er mal sehr schnelle Läufe spielte. Aber wie Lörscher verwendete er schnelle Tonfolgen eher, um Akzente zu setzen, und konzentrierte sich auf Melodik und Farben. Er ließ seinen Bass abwechselnd singen und knallen.
Ein bisschen solistisch spielte er – abgesehen von ostinaten Stücken wie der Passacaglia – immer, denn das gehört zum besagten Konzept des Trios. Wenn er ausdrücklich mit Solieren an der Reihe war, zündete er ein Feuerwerk – so geschehen unter anderem beim Intro zur Bach-Bearbeitung „Musette“, das er ganz alleine spielte. Sieverts verstärkte seinen Bass elektrisch und regelte die Lautstärke mit einem Pedal. So war er niemals an das Groove-Spiel des klassischen Jazz gebunden.
Harald Rüschenbaum spielte fast durchgängig mit Besen, manchmal zusammengeklebten. Gelegentlich griff er zu Paukenschlegeln, wobei ihm der Wechsel auch während des Spiels völlig unmerklich gelang. Auf Stöcke verzichtete er ganz. Dadurch war sein Spiel vergleichsweise leise und passte bestens zu der kammermusikalischen Spielweise des Trios.
Er war, wenn man so will, der „schnellste“ der drei Musiker. Während die beiden anderen oft einzelne Akkorde wirken ließen, unterlegte Rüschenbaum diese mit hoch komplexen, sehr feinen Figuren. Sehr oft setzte er alle Becken gleichzeitig ein, um mit deren feinen, obertonreichen Resonanzen einen zarten Klangteppich zu schaffen. Als deutlich erkennbare Groove-Maschine setzte er gelegentlich die Hihat ein, aber meist spielte er gänzlich solistisch. Innerhalb dieser komplexen Strukturen gelang den Musikern ein lebendiges, mitreißendes Zusammenspiel.
Eine der beiden Zugaben spielte Helmut Lörscher alleine. Das Publikum sollte sich ein Lied wünschen und einen Stil, in dem er darüber improvisieren wollte. Aus den Zurufen ergab sich Folgendes: „Üb immer Treu und Redlichkeit“ in den Stilen der Pianisten Oscar Peterson (schnelle Läufe und dicke Blockakkorde) und John Lewis (schlanker Klang, deutlich hörbare Bach-Inspiration). Was Lörscher daraus machte, war einfach erstaunlich. Er traf die Stile der beiden Pianisten ganz genau und gab dabei ein schönes Beispiel dessen ab, was musikalischer Humor sein kann.
Helmut Lörscher fungiert im Trio als Komponist, Pianist und Arrangeur. Für den Stamm-Bassisten Bernd Heitzler war in Alsfeld Henning Sieverts eingesprungen. Am Schlagzeug saß, wie gewohnt, Harald Rüschenbaum. Sie alle sind im Jazz alles andere als unbekannt, und viele Besucher waren in die Aula der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule gekommen, um die Musik des Trios zu hören.
Die meisten Stücke hatte Helmut Lörscher auf Basis von Stücken Johann Sebastian Bachs geschrieben, einige waren gänzlich eigenständige Stücke Lörschers mit Kompositionstechniken, die Bach öfter verwendet hat. Der Grundverlauf war stark ausarrangiert, alle Musiker hatten Notenpapier vor sich liegen. Innerhalb dieses Verlaufs war aber jede Menge Raum für Improvisation.
Das Moderne an der Musik bestand vor allem darin, dass alle drei Musiker stets sehr solistisch agierten und interagierten – statt, wie im klassischen Jazz, klare Rollen in Sachen Rhythmus und Solo zu verteilen.
Die Rhythmen waren meist ausgesprochen komplex und hatten wenig mit den erdigen Rhythmen des frühen Jazz zu tun. Die Musik des Helmut Lörscher Trios war trotz ihrer Komplexität bestens zugänglich, selbst dann, wenn sie die Tonalität komplett verließ.
Einer der Gründe dafür lag darin, dass Helmut Lörscher auf die Ruhelosigkeit mancher moderner Jazzmusik verzichtete. Seine Melodik war stets klar und nachvollziehbar, sehr schnelle Läufe setzte er nur gelegentlich als Verzierungen ein. Wichtig sind in Lörschers Spiel Klangfarben, die er durch bestimmte Harmonien erzeugen kann (im Jazz kann man Akkorde beliebig erweitern und dadurch einfärben, einfache Dreiklänge sind sehr selten). Mit diesen Farben ging er nie beliebig um.
Wenn Lörscher Themen aus Kompositionen Bachs verwendete, spielte er sie in der Regel nur kurz an und variierte sie sehr bald. Von diesem bestimmten Bach-Klang bewegte er sich sehr häufig weg, um mit Melodik und Harmonik auf eigene Weise zu spielen.
Eine eigene Komposition Lörschers ist eine Passacaglia, die auf einer Zwölfton-Basslinie basiert. Als Lörscher dieses Stück ankündigte, dürften etliche Besucher etwas völlig Schräges erwartet haben, das vom bis dahin Gehörten abweichen würde. Das war aber keineswegs der Fall, sondern Lörscher hatte die Töne der Basslinie so aneinandergereiht, dass sie stimmige Harmonien ergaben. Diese Harmonien hatten zwar keinen Bezug zueinander im Sinne einer durchgehenden Tonart, aber sie ergaben Orientierungspunke. Lörschers Stück „Avallone – fast ein Kanon“ war erheblich dissonanter als die Passacaglia.
Henning Sieverts hatte auf seinem Bass einen dicken Ton – auch dann, wenn er mal sehr schnelle Läufe spielte. Aber wie Lörscher verwendete er schnelle Tonfolgen eher, um Akzente zu setzen, und konzentrierte sich auf Melodik und Farben. Er ließ seinen Bass abwechselnd singen und knallen.
Ein bisschen solistisch spielte er – abgesehen von ostinaten Stücken wie der Passacaglia – immer, denn das gehört zum besagten Konzept des Trios. Wenn er ausdrücklich mit Solieren an der Reihe war, zündete er ein Feuerwerk – so geschehen unter anderem beim Intro zur Bach-Bearbeitung „Musette“, das er ganz alleine spielte. Sieverts verstärkte seinen Bass elektrisch und regelte die Lautstärke mit einem Pedal. So war er niemals an das Groove-Spiel des klassischen Jazz gebunden.
Harald Rüschenbaum spielte fast durchgängig mit Besen, manchmal zusammengeklebten. Gelegentlich griff er zu Paukenschlegeln, wobei ihm der Wechsel auch während des Spiels völlig unmerklich gelang. Auf Stöcke verzichtete er ganz. Dadurch war sein Spiel vergleichsweise leise und passte bestens zu der kammermusikalischen Spielweise des Trios.
Er war, wenn man so will, der „schnellste“ der drei Musiker. Während die beiden anderen oft einzelne Akkorde wirken ließen, unterlegte Rüschenbaum diese mit hoch komplexen, sehr feinen Figuren. Sehr oft setzte er alle Becken gleichzeitig ein, um mit deren feinen, obertonreichen Resonanzen einen zarten Klangteppich zu schaffen. Als deutlich erkennbare Groove-Maschine setzte er gelegentlich die Hihat ein, aber meist spielte er gänzlich solistisch. Innerhalb dieser komplexen Strukturen gelang den Musikern ein lebendiges, mitreißendes Zusammenspiel.
Eine der beiden Zugaben spielte Helmut Lörscher alleine. Das Publikum sollte sich ein Lied wünschen und einen Stil, in dem er darüber improvisieren wollte. Aus den Zurufen ergab sich Folgendes: „Üb immer Treu und Redlichkeit“ in den Stilen der Pianisten Oscar Peterson (schnelle Läufe und dicke Blockakkorde) und John Lewis (schlanker Klang, deutlich hörbare Bach-Inspiration). Was Lörscher daraus machte, war einfach erstaunlich. Er traf die Stile der beiden Pianisten ganz genau und gab dabei ein schönes Beispiel dessen ab, was musikalischer Humor sein kann.
Mozart mit Eleganz, Lebendigkeit und Spielfreude
Berolina-Ensemble gastierte in der Konzertreihe Alsfeld Musik Art mit einer Vielfalt von Besetzungen - Publikum dankt mit viel Beifall
Oberhessische Zeitung, 21. Januar 13
Martin G. Günkel
Martin G. Günkel
Alsfeld. Einen reinen Mozart-Abend kurzweilig zu gestalten, ist sicher keine leichte Aufgabe – für das Berolina-Ensemble aber kein Problem, wie in der Konzertreihe Alsfeld Musik Art zu erleben war. Obwohl auf der Anreise wegen der Kälte Vorsicht geboten war, war die Aula der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule bestens gefüllt.
Neben dem lebendigen, flüssigen und extrem präzisen Spiel des Ensembles trugen auch die verschiedenen Besetzungen bei den einzelnen Werken dazu bei, dass es ein kurzweiliger Abend wurde. Ein reines Mozart-Programm in nur einer Besetzung, beispielsweise mit Streichquartett, hätte eventuell ein harter Brocken für das Publikum werden können.
Das Berolina Ensemble wurde 2009 gegründet und hat inzwischen eine erste CD veröffentlicht. Es widmet sich insbesondere Werken, die weniger bekannt sind – selten aufgeführten Stücken bekannter Komponisten ebenso wie Musik von Komponisten, die gar nicht erst sehr bekannt wurden.
Die nach Alsfeld gereisten Ensemble-Mitglieder sind: Franziska Dallmann (Flöte), Viola Wilmsen (Oboe), Friederike Roth (Klarinette), David Gorol (erste Violine; Ensemble-Gründer), Lauriane Vernhes (zweite Violine), Avishai Chameides (Viola) und Valentin Priebus (Cello).
Das erste Werk des Abends war ein Streichquartett: Mozarts Divertimento D-Dur, KV 136. Von der ersten Minute an riss die Aufführung dadurch mit, dass sie sehr leichtfüßig und zugleich extrem energetisch war. Die Melodien kamen sehr flüssig daher, das Zusammenspiel der Musiker war in höchstem Maße präzise, ohne je steril zu sein.
Den zweiten Satz spielten die Musiker vollkommen unprätentiös und ließen die Melodien für sich sprechen – was insbesondere deshalb beeindruckend war, weil dieser Satz sehr schwärmerisch ist und man aufpassen muss, dass er nicht kitschig wirkt. Mitreißend war der schnelle dritte Satz.
Die gleiche Präzision und Harmonie des Zusammenspiels herrschte beim Quartett für Flöte, Violine, Viola und Violoncello D-Dur, KV 285. Den Dialog zwischen Streichern und Blasinstrument bildeten die Musiker mit einer enormen Plastizität ab. Besonders schön war der langsame zweite Satz, bei dem die Flöte von den Streichern komplett mit Pizzicato (Zupfen) begleitet wird. Diese Begleitung war dynamisch sehr differenziert und außerordentlich feinfühlig.
Das letzte Stück des ersten Programmteils war das Quartett für Oboe, Violine, Viola und Violoncello F-Dur, KV 370. Der Oboenklang von Viola Wilmsen war sehr dick und warm, der Streicherklang passte dazu. Das klang wunderbar, sei es beim besonders gewitzten ersten Satz oder beim langsamen zweiten. Der hatte eine Melancholie in sich, die es sonst in diesem Konzert nicht gab und die die Musiker ohne Übertreibung und sehr feinfühlig transportierten. Erleichterung strahlte nach so viel Traurigkeit der Schlusssatz aus.
Das „Stadler-Quintett“ für Klarinette und Streichquartett A-Dur, KV 581 erinnert in vielerlei Hinsicht an das bekannte Klarinettenkonzert von Mozart – insbesondere im zweiten Satz mit seinen ruhigen Klarinetten-Monologen. Auch insgesamt ist die Struktur der Musik wie in vielen Werke für Solo-Instrument und Orchester. Besonders gefiel der zweite Satz, bei dem sich die Musiker Übertreibungen sparten, und der wunderbar elegante und entspannte dritte Satz.
Freunde der historischen Aufführungspraxis dürften bei den Streichern ein wenig die Darmsaiten vermisst haben. Das Berolina Ensemble verwendet die seit dem 20. Jahrhundert verbreiteten Stahlsaiten. Ihnen fehlt diese gewisse Portion Dreck im Ton, die man Darmsaiten auf Wunsch entlocken kann und die Mozarts Musik entgegenkommt. Beim Berolina-Ensemble war der Klang insbesondere bei den Streichern durchweg sauber, hatte fast keine Ecken und Kanten.
Das sind aber Fragen des persönlichen Geschmacks, die außerdem nichts damit zu tun haben, ob Musiker ein in sich stimmiges Interpretationskonzept haben. Das ist beim Berolina-Ensemble definitiv vorhanden. Der saubere Klang stand der Lebendigkeit der Interpretationen keineswegs im Wege. Die Spielfreude der Ensemble-Mitglieder war jederzeit hör- und sichtbar.
Mit lang anhaltendem Beifall bedankten sich die Besucher für ein mitreißendes Konzert. Sicher hätten sie gerne noch eine Zugabe gehört. Alsfeld Musik Art geht weiter am Samstag, dem 16. Februar, um 20 Uhr mit dem Helmut Lörscher Trio, das sich Johann Sebastian Bach und dem Jazz widmet. Veranstaltungsort ist wieder die Aula der Albert-Schweitzer-Schule.
Neben dem lebendigen, flüssigen und extrem präzisen Spiel des Ensembles trugen auch die verschiedenen Besetzungen bei den einzelnen Werken dazu bei, dass es ein kurzweiliger Abend wurde. Ein reines Mozart-Programm in nur einer Besetzung, beispielsweise mit Streichquartett, hätte eventuell ein harter Brocken für das Publikum werden können.
Das Berolina Ensemble wurde 2009 gegründet und hat inzwischen eine erste CD veröffentlicht. Es widmet sich insbesondere Werken, die weniger bekannt sind – selten aufgeführten Stücken bekannter Komponisten ebenso wie Musik von Komponisten, die gar nicht erst sehr bekannt wurden.
Die nach Alsfeld gereisten Ensemble-Mitglieder sind: Franziska Dallmann (Flöte), Viola Wilmsen (Oboe), Friederike Roth (Klarinette), David Gorol (erste Violine; Ensemble-Gründer), Lauriane Vernhes (zweite Violine), Avishai Chameides (Viola) und Valentin Priebus (Cello).
Das erste Werk des Abends war ein Streichquartett: Mozarts Divertimento D-Dur, KV 136. Von der ersten Minute an riss die Aufführung dadurch mit, dass sie sehr leichtfüßig und zugleich extrem energetisch war. Die Melodien kamen sehr flüssig daher, das Zusammenspiel der Musiker war in höchstem Maße präzise, ohne je steril zu sein.
Den zweiten Satz spielten die Musiker vollkommen unprätentiös und ließen die Melodien für sich sprechen – was insbesondere deshalb beeindruckend war, weil dieser Satz sehr schwärmerisch ist und man aufpassen muss, dass er nicht kitschig wirkt. Mitreißend war der schnelle dritte Satz.
Die gleiche Präzision und Harmonie des Zusammenspiels herrschte beim Quartett für Flöte, Violine, Viola und Violoncello D-Dur, KV 285. Den Dialog zwischen Streichern und Blasinstrument bildeten die Musiker mit einer enormen Plastizität ab. Besonders schön war der langsame zweite Satz, bei dem die Flöte von den Streichern komplett mit Pizzicato (Zupfen) begleitet wird. Diese Begleitung war dynamisch sehr differenziert und außerordentlich feinfühlig.
Das letzte Stück des ersten Programmteils war das Quartett für Oboe, Violine, Viola und Violoncello F-Dur, KV 370. Der Oboenklang von Viola Wilmsen war sehr dick und warm, der Streicherklang passte dazu. Das klang wunderbar, sei es beim besonders gewitzten ersten Satz oder beim langsamen zweiten. Der hatte eine Melancholie in sich, die es sonst in diesem Konzert nicht gab und die die Musiker ohne Übertreibung und sehr feinfühlig transportierten. Erleichterung strahlte nach so viel Traurigkeit der Schlusssatz aus.
Das „Stadler-Quintett“ für Klarinette und Streichquartett A-Dur, KV 581 erinnert in vielerlei Hinsicht an das bekannte Klarinettenkonzert von Mozart – insbesondere im zweiten Satz mit seinen ruhigen Klarinetten-Monologen. Auch insgesamt ist die Struktur der Musik wie in vielen Werke für Solo-Instrument und Orchester. Besonders gefiel der zweite Satz, bei dem sich die Musiker Übertreibungen sparten, und der wunderbar elegante und entspannte dritte Satz.
Freunde der historischen Aufführungspraxis dürften bei den Streichern ein wenig die Darmsaiten vermisst haben. Das Berolina Ensemble verwendet die seit dem 20. Jahrhundert verbreiteten Stahlsaiten. Ihnen fehlt diese gewisse Portion Dreck im Ton, die man Darmsaiten auf Wunsch entlocken kann und die Mozarts Musik entgegenkommt. Beim Berolina-Ensemble war der Klang insbesondere bei den Streichern durchweg sauber, hatte fast keine Ecken und Kanten.
Das sind aber Fragen des persönlichen Geschmacks, die außerdem nichts damit zu tun haben, ob Musiker ein in sich stimmiges Interpretationskonzept haben. Das ist beim Berolina-Ensemble definitiv vorhanden. Der saubere Klang stand der Lebendigkeit der Interpretationen keineswegs im Wege. Die Spielfreude der Ensemble-Mitglieder war jederzeit hör- und sichtbar.
Mit lang anhaltendem Beifall bedankten sich die Besucher für ein mitreißendes Konzert. Sicher hätten sie gerne noch eine Zugabe gehört. Alsfeld Musik Art geht weiter am Samstag, dem 16. Februar, um 20 Uhr mit dem Helmut Lörscher Trio, das sich Johann Sebastian Bach und dem Jazz widmet. Veranstaltungsort ist wieder die Aula der Albert-Schweitzer-Schule.
Außergewöhnliche Interpretationen
Klavierkonzert: Marina Yakhlakova gastierte bei Alsfeld Musik Art mit Schubert, Tschaikowsky und Liszt
Oberhessische Zeitung,
12. November 12
Martin G. Günkel
12. November 12
Martin G. Günkel
Alsfeld. Ob melodische Stücke von Franz Schubert oder schwierige Strukturen von Franz Liszt – die Pianistin Marina Yakhlakova spielt beides auf packende Weise. Den Besuchern eines Konzerts in der Reihe Alsfeld Musik Art, das in der Aula der Albert-Schweitzer-Schule stattfand, bereitete sie mit außergewöhnlichen Interpretationen einen unvergesslichen Abend. Drei Lieder von Franz Schubert in Klavier-Transkriptionen von Franz Liszt, die Konzertsuite aus dem Ballett der Nussknacker von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky und die Sonate h-moll von Liszt standen auf dem Programm der 21-jährigen Moskauerin, die im vergangenen Jahr den ersten Preis beim siebten Internationalen Franz Liszt Klavierwettbewerb Weimar/Bayreuth gewonnen hat.
„Ständchen“, das siebte Lied aus Schuberts Zyklus „Schwanengesang“, ist eine der populärsten und schönsten Melodien des Komponisten. Yakhlakova nahm es mit einem langsameren Grundtempo und einem weicheren Grundklang, so dass sie jeweils nach oben viel Spielraum hatte. Den nutzte sie, wo es die Musik nahelegte, kehrte aber immer nach kurzer Zeit wieder in diese ruhigere Spielweise zurück. Dadurch transportierte sie wunderbar diese bestimmte Art von Melancholie, die beim Hören der Musik nicht unbedingt deprimierend wirkt. Wenn das meist in Moll gehaltene Stück für ein paar Takte in Dur war, wirkte das mitunter noch trauriger als alles andere – ein Charakteristikum vieler Schubert-Stücke, das bei Yakhlakova sehr stark wirkte. Der enorme Sinn der Pianistin für Strukturen trug ebenfalls wesentlich dazu bei, dass die Musik emotional stark ansprach und man ihr auch bei sehr komplexen Strukturen sehr leicht folgen konnte.
Bei „Erlkönig“ ließ es Marina Yakhlakova krachen. Die bekannte Bassfigur, die von Beginn an immer wieder zu hören ist, donnerte und war spannungsgeladen bis zum Äußersten. Dynamisch war die Interpretation äußerst differenziert, was neben der klaren Phrasierung dafür sorgte, dass sie so packend war. Obwohl sie den „Erlkönig“ schon sehr kraftvoll begonnen hatte, was gut war, gelang es ihr, das Ganze zielsicher weiter zu steigern – bis die Musik am Ende bewusst implodierte.
„Auf dem Wasser zu singen“ war wieder ein lyrisches Lied, aber insgesamt sehr viel bewegter als das melancholische „Ständchen“. Auch dieses leichtere Stück hatte unter Yakhlakova eine enorme Intensität. Hier wie bei anderen Stücken begeisterte sie damit, wie
sie leisere Passagen nutzte, um Spannung aufzubauen, die sich bei lauteren ganz oder teilweise entlud. Viele bekannte Melodien enthält auch die Konzertsuite aus dem Ballett „Der Nussknacker“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky. Die meisten dürften die Orchesterfassung im Ohr haben. Wie Marina Yakhlakova die Klavier-Suite spielte, fehlte ihr gegenüber dem farbenprächtigen Orchester allerdings nichts. So klang das Klavier beim „Tanz der Zuckerfee“ wirklich fast wie eine Celesta. Zu den Dingen, die besonders packten, gehörten in diesem Werk Passagen, in denen Linien in verschiedenen Lagen in einem dialogischen Wechselspiel aufeinander folgten. Für Tschaikowskys Musik gab es ebenso lang anhaltenden Applaus wie zuvor für die Schubert-Stücke.
Nicht immer kann man die Sonate in h-moll von Franz Liszt so hören wie in diesem Konzert. Das Werk ist in einem Stück komponiert, mit vielen kleinen Abschnitten, denen nur schwer eine Gesamtdramaturgie abzugewinnen ist. Meist wird das irgendwo in der Mitte der Sonate langweilig. Marina Yakhlakova bewies hier einmal mehr ihren Sinn für Strukturen und legte eine Interpretation des Werks hin, die bis zur letzten Note spannend und packend blieb. Der Beginn mit den tiefen Bassnoten kam langsam daher, was ihm einen besonders bedrohlichen Charakter verlieh. Schon in diesen ersten Noten baute Yakhlakova eine riesige Spannung auf, die sich bei der ersten Explosion entlud. Dass sie vor solchen Ausbrüchen einen enormen Druck aufbauen kann, gehörte zu Yakhlakovas Schlüsseln zu dieser Musik. Das Stück hat aber auch viele elegische Passagen. Hier nahm die Pianistin den Druck ganz heraus und spielte diese Teile in einer Weise, die sehr beruhigend wirkte. Solche Passagen waren genauso wirkungsvoll wie alles Spannungsgeladene. Das ist nicht selbstverständlich, in vielen anderen Interpretationen dieser Sonate fällt die Wirkung an solchen Stellen deutlich ab. Wenn Yakhlakova wieder Spannung aufbaute oder eine Explosion ganz unvermittelt erfolgte, wirkte das nach ruhigen Momenten umso intensiver.
Herzlich und lang anhaltend war am Ende der Beifall. Marina Yakhlakova ließ sich nicht lange um eine Zugabe bitten. Sie spielte Franz Liszts „Mephisto-Walzer“ Nr. 1. Der ist vor allem auf Virtuosität getrimmt und nicht in erster Linie auf Gesamtdramaturgie. Vermutlich ist es hier noch schwieriger als bei der h-moll-Sonate, eine Interpretation mit einem roten Faden zu spielen. Für Marina Yakhlakova war das kein Problem. Sie spielte noch drei weitere Zugaben: Die Etüden Nr. 11 und 10 aus op. 10 von Frédéric Chopin sowie „Un poco di Chopin“ aus op. 72 von Tschaikowsky.
„Ständchen“, das siebte Lied aus Schuberts Zyklus „Schwanengesang“, ist eine der populärsten und schönsten Melodien des Komponisten. Yakhlakova nahm es mit einem langsameren Grundtempo und einem weicheren Grundklang, so dass sie jeweils nach oben viel Spielraum hatte. Den nutzte sie, wo es die Musik nahelegte, kehrte aber immer nach kurzer Zeit wieder in diese ruhigere Spielweise zurück. Dadurch transportierte sie wunderbar diese bestimmte Art von Melancholie, die beim Hören der Musik nicht unbedingt deprimierend wirkt. Wenn das meist in Moll gehaltene Stück für ein paar Takte in Dur war, wirkte das mitunter noch trauriger als alles andere – ein Charakteristikum vieler Schubert-Stücke, das bei Yakhlakova sehr stark wirkte. Der enorme Sinn der Pianistin für Strukturen trug ebenfalls wesentlich dazu bei, dass die Musik emotional stark ansprach und man ihr auch bei sehr komplexen Strukturen sehr leicht folgen konnte.
Bei „Erlkönig“ ließ es Marina Yakhlakova krachen. Die bekannte Bassfigur, die von Beginn an immer wieder zu hören ist, donnerte und war spannungsgeladen bis zum Äußersten. Dynamisch war die Interpretation äußerst differenziert, was neben der klaren Phrasierung dafür sorgte, dass sie so packend war. Obwohl sie den „Erlkönig“ schon sehr kraftvoll begonnen hatte, was gut war, gelang es ihr, das Ganze zielsicher weiter zu steigern – bis die Musik am Ende bewusst implodierte.
„Auf dem Wasser zu singen“ war wieder ein lyrisches Lied, aber insgesamt sehr viel bewegter als das melancholische „Ständchen“. Auch dieses leichtere Stück hatte unter Yakhlakova eine enorme Intensität. Hier wie bei anderen Stücken begeisterte sie damit, wie
sie leisere Passagen nutzte, um Spannung aufzubauen, die sich bei lauteren ganz oder teilweise entlud. Viele bekannte Melodien enthält auch die Konzertsuite aus dem Ballett „Der Nussknacker“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky. Die meisten dürften die Orchesterfassung im Ohr haben. Wie Marina Yakhlakova die Klavier-Suite spielte, fehlte ihr gegenüber dem farbenprächtigen Orchester allerdings nichts. So klang das Klavier beim „Tanz der Zuckerfee“ wirklich fast wie eine Celesta. Zu den Dingen, die besonders packten, gehörten in diesem Werk Passagen, in denen Linien in verschiedenen Lagen in einem dialogischen Wechselspiel aufeinander folgten. Für Tschaikowskys Musik gab es ebenso lang anhaltenden Applaus wie zuvor für die Schubert-Stücke.
Nicht immer kann man die Sonate in h-moll von Franz Liszt so hören wie in diesem Konzert. Das Werk ist in einem Stück komponiert, mit vielen kleinen Abschnitten, denen nur schwer eine Gesamtdramaturgie abzugewinnen ist. Meist wird das irgendwo in der Mitte der Sonate langweilig. Marina Yakhlakova bewies hier einmal mehr ihren Sinn für Strukturen und legte eine Interpretation des Werks hin, die bis zur letzten Note spannend und packend blieb. Der Beginn mit den tiefen Bassnoten kam langsam daher, was ihm einen besonders bedrohlichen Charakter verlieh. Schon in diesen ersten Noten baute Yakhlakova eine riesige Spannung auf, die sich bei der ersten Explosion entlud. Dass sie vor solchen Ausbrüchen einen enormen Druck aufbauen kann, gehörte zu Yakhlakovas Schlüsseln zu dieser Musik. Das Stück hat aber auch viele elegische Passagen. Hier nahm die Pianistin den Druck ganz heraus und spielte diese Teile in einer Weise, die sehr beruhigend wirkte. Solche Passagen waren genauso wirkungsvoll wie alles Spannungsgeladene. Das ist nicht selbstverständlich, in vielen anderen Interpretationen dieser Sonate fällt die Wirkung an solchen Stellen deutlich ab. Wenn Yakhlakova wieder Spannung aufbaute oder eine Explosion ganz unvermittelt erfolgte, wirkte das nach ruhigen Momenten umso intensiver.
Herzlich und lang anhaltend war am Ende der Beifall. Marina Yakhlakova ließ sich nicht lange um eine Zugabe bitten. Sie spielte Franz Liszts „Mephisto-Walzer“ Nr. 1. Der ist vor allem auf Virtuosität getrimmt und nicht in erster Linie auf Gesamtdramaturgie. Vermutlich ist es hier noch schwieriger als bei der h-moll-Sonate, eine Interpretation mit einem roten Faden zu spielen. Für Marina Yakhlakova war das kein Problem. Sie spielte noch drei weitere Zugaben: Die Etüden Nr. 11 und 10 aus op. 10 von Frédéric Chopin sowie „Un poco di Chopin“ aus op. 72 von Tschaikowsky.
Andächtig musizierte Passionsmusik
Auftakt zur 24. Saison von Alsfeld Musik Art mit einem Konzert vokaler Spitzenklasse mit dem Alsfelder Konzertchor
Oberhessische Zeitung, 2. Oktober 12
Rudolf Haidu
Rudolf Haidu
Alsfeld (rhu). Mit einem fabelhaften Konzert vokaler Spitzenklasse wurde die 24. Saison von Alsfeld Musik Art kraftvoll überzeugend eröffnet. In der bis auf den letzten Platz besetzten Walpurgiskirche zeigte sich der Alsfelder Konzertchor mitsamt einem extra zusammengestellten Kammerensemble und weiteren Solisten von seiner besten Seite und riss die Zuschauer mit sogartiger Überzeugungskraft in die musikalischen Tiefen andächtig musizierter Passionsmusik.
Auch wenn dieses erste Saisonkonzert nicht im Trauermonat November oder in der liturgisch determinierenden Zeit der Passion stattfand, widmete sich das abwechslungsreiche Chorkonzert am vergangene Sonntagabend thematisch ausschließlich Beiträgen von zerknirschtem Gemüt. So stand die zu Beginn erklingende Kantate BWV 12 "Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen" bewusst am Anfang des Konzertabends und stimmte auf die kommenden zwei Stunden Musikgenuss ein.
Schon bei den ersten Takten der für den Sonntag Jubilate eingerichteten Kantate von Johann Sebastian Bach präsentierten sich die neun Instrumentalisten beweglich, ungemein sauber in der Intonation und von ausgewogener Klangschönheit. Sehr überzeugend brachte der Chor dann die wehmütigen, dissonierenden Akkorde in ihrer vom barocken Meister gesetzten Schärfe und Durchdringungskraft zum Ausdruck und verlieh dem Werk zu der hochsensiblen Begleitung des Orchesters Tiefgang. Der ostinate Lamentobass durchzog als wehklagender Leitfaden den ganzen ersten Choreinsatz und ließ somit die schmerzhaften Seufzereinwürfe der vier Stimmen umso mitreißender hervortreten. Mal polyphon elegant, mal motettisch leichtfüßig kam diese für den Weimarer Hof 1714 komponierte Kantate daher und erreichte mit den beiden Solo-Arien ihren Höhepunkt. Monika Eder, Sopran, als auch Volker Tost, Bass, brillierten in ihren beiden anspruchsvollen Koloraturpartien.
Es war durchweg faszinierend, wie Dirigent Thomas Walter die barocke Musik im Fluss hielt, wie akkurat er Spannungsbögen aufbaute, Übergänge gestaltete, Dynamik formte und wie die Interpreten seinen feinnuancierten Anweisungen folgten. Mit Künstlern aus Alsfeld, Lauterbach und Gießen besetzt, demonstrierte das Kammerenensemble seine vielfältigen Fähigkeiten und sein Potenzial.
Nach dem Bach-Choral "Komm, süßer Tod" folgte eine des zeitgenössischen Komponisten Knut Nysted kreierte Klangadaption aus dem Jahre 1987: Der alte Bachsatz wurde von allen fünf Gruppen, in unterschiedlich gewählten Tempi, gesungen und ließ eine interessante Klangschichtung spährischer Natur durch das Kirchenschiff wabern, die eine ungewohnte Hörerfahrung mit der vom Norweger benannten Komposition "Immortal Bach" – Unsterblicher Bach - brachte. Ähnlich wirkte das von Max Baumann (1917-1999), seiner Zeit Berliner Musikprofessor, gesetzte Pater Noster op. 51 für acht-stimmigen Chor, das sicher von den Sängern vorgetragen und durch interessante Klangentwicklung beeindruckte.
Das nun folgende Programm reihte sich inhaltich ein in die Folge des bereits Gehörten, stellte sich kompositorisch und stilgebunden diesem jedoch diametral entgegen. Es erklangen nachfolgend Kompositionen von John Rutter, der in der angloamerikanischen Musikwelt einer der produktivsten, meistegehörten und aufgeführten Komponisten unserer Zeit ist.
Die drei Segenslieder ähnlicher Machart des 1945 in London geborenen Komponisten wurden von Thomas Walter am Klavier souverän begleitet. Mit netten Titeln wie "Go forth into the world in peace", "God be on my head" und "The Lord bless you and keep you" ausgestattet, wurden diese emotional geladenen Stücke glaubwürdig vom Chor vorgetragen und dankbar vom Publikum aufgenommen.
Allerdings muss in diesem Zusammenhang die kritische Frage nach dem Stellenwert Rutters Kompositionen im zeitgenössischen Dialog erlaubt sein.
Nach der Pause folgte dann nochmal ein absoluter Höhepunkt des Konzertabends: John Rutters Requiem. Diese Komposition ist sein bekanntestes Werk, das die Rutter-Legende begründet. Sein Credo auch dabei: Geschmeidigkeit statt Atonalität, Harmonie statt Dissonanz. Seine Musik nimmt deutlich Anleihen bei der Jazz- und Unterhaltungsmusik, geriert sich als untermalende Filmmusik oder gelegentlich musicalartig wie ein Gershwin, und kommt zwischendrin wie Orffs Erfolgsmischung aus Brutal-Rhythmus und schlichter Harmonik daher - klingt schön, reißt mit, verführt, baut auf. Seine musikalische Grundidee für ein „Requiem of our time“ entfaltet der Komponist innerhalb weniger Takte. Es beginnt düster-dumpf-dramatisch, Paukenschläge lassen Furchtbares ahnen, doch dann, bevor das Unheil seinen Lauf nehmen könnte, schlägt es um in eine tröstlich-melodiöse, fast heil anmutende Welt.
Rutters kompositorische Brillanz, melodische Fülle und klangliche Stimmungskunst sind in jedem Fall verführerisch. Dies bewies auch die vom fast 50-köpfigen Chor mit trefflichem Engagement und hoher Detailgenauigkeit realisierte Aufführung. Bruchlos war jede dynamische Nuance möglich, haarfeine Phrasierungen, geschlossene, im absoluten Pianissimo beheimatete Anfänge, jederzeit zum gewaltigsten Fortissimo bereit. Ein ungewöhnlich emphatischer und kommunikativer Chorklang, der die Hörer ansprach, aufnahm, mittrug. Große Präsenz demonstrierten die Sänger insbesondere in klangintensiv verdichteten Teilen, beispielsweise dem energiegelandenen Sanctus mit süßlich läutendem Glockenspiel oder dem alles beschließenden Lux aeterna. Sehr schön, fast elegisch zerknirscht, gelang auch das wenig verhaltene, inständig klagende Agnus Dei.
Die diesmal anders zusammengesetzten acht Instrumentalisten stellten auch hier ihr Können nicht unter den Scheffel. Besonders zu bemerken die gekonnt dargebrachte Weise des Solocellos im Psalmteil "Out of the deep", die düstere Melodien innerhalb ihrer Partie durch den Saal schweben ließ. Auch die Oboe klagte leidenschaftlich filigran im Zusammenspiel mit dem Orchester, wurde jedoch immer wieder durch den alles glättenden und schützenden Firnisklang der Harfe gedeckt. In nichts nach stand die Alsfelderin Elke Saller, die wieder einmal durch ihre gekonnte Handhabung der Pauken begeisterte. Einmal trat Monika Eder noch in dem freundlich friedlichen Mittelteil "Pie Jesu" auf und zeigte ihre stimmliche Brillanz, sowohl intonatorisch als auch gestalterisch. Die warmen, hohen Klänge traf sie mit erstaunlicher Klarheit und verzauberte das Publikum erneut mit ihrer tiefgehenden Gestaltungsgabe, gepaart mit Ausdruckskraft und frappierender Technik.
Langer Applaus folgte schlagartig auf die letzten, im äußersten Piano erklungenen Akkorde. Eine Zugabe, ebenfalls von Rutter, wurde schnell und gerne gewährt und beendete somit erfolgreich das erste Konzert der AMA-Konzertsaison 2012/2013.
Auch wenn dieses erste Saisonkonzert nicht im Trauermonat November oder in der liturgisch determinierenden Zeit der Passion stattfand, widmete sich das abwechslungsreiche Chorkonzert am vergangene Sonntagabend thematisch ausschließlich Beiträgen von zerknirschtem Gemüt. So stand die zu Beginn erklingende Kantate BWV 12 "Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen" bewusst am Anfang des Konzertabends und stimmte auf die kommenden zwei Stunden Musikgenuss ein.
Schon bei den ersten Takten der für den Sonntag Jubilate eingerichteten Kantate von Johann Sebastian Bach präsentierten sich die neun Instrumentalisten beweglich, ungemein sauber in der Intonation und von ausgewogener Klangschönheit. Sehr überzeugend brachte der Chor dann die wehmütigen, dissonierenden Akkorde in ihrer vom barocken Meister gesetzten Schärfe und Durchdringungskraft zum Ausdruck und verlieh dem Werk zu der hochsensiblen Begleitung des Orchesters Tiefgang. Der ostinate Lamentobass durchzog als wehklagender Leitfaden den ganzen ersten Choreinsatz und ließ somit die schmerzhaften Seufzereinwürfe der vier Stimmen umso mitreißender hervortreten. Mal polyphon elegant, mal motettisch leichtfüßig kam diese für den Weimarer Hof 1714 komponierte Kantate daher und erreichte mit den beiden Solo-Arien ihren Höhepunkt. Monika Eder, Sopran, als auch Volker Tost, Bass, brillierten in ihren beiden anspruchsvollen Koloraturpartien.
Es war durchweg faszinierend, wie Dirigent Thomas Walter die barocke Musik im Fluss hielt, wie akkurat er Spannungsbögen aufbaute, Übergänge gestaltete, Dynamik formte und wie die Interpreten seinen feinnuancierten Anweisungen folgten. Mit Künstlern aus Alsfeld, Lauterbach und Gießen besetzt, demonstrierte das Kammerenensemble seine vielfältigen Fähigkeiten und sein Potenzial.
Nach dem Bach-Choral "Komm, süßer Tod" folgte eine des zeitgenössischen Komponisten Knut Nysted kreierte Klangadaption aus dem Jahre 1987: Der alte Bachsatz wurde von allen fünf Gruppen, in unterschiedlich gewählten Tempi, gesungen und ließ eine interessante Klangschichtung spährischer Natur durch das Kirchenschiff wabern, die eine ungewohnte Hörerfahrung mit der vom Norweger benannten Komposition "Immortal Bach" – Unsterblicher Bach - brachte. Ähnlich wirkte das von Max Baumann (1917-1999), seiner Zeit Berliner Musikprofessor, gesetzte Pater Noster op. 51 für acht-stimmigen Chor, das sicher von den Sängern vorgetragen und durch interessante Klangentwicklung beeindruckte.
Das nun folgende Programm reihte sich inhaltich ein in die Folge des bereits Gehörten, stellte sich kompositorisch und stilgebunden diesem jedoch diametral entgegen. Es erklangen nachfolgend Kompositionen von John Rutter, der in der angloamerikanischen Musikwelt einer der produktivsten, meistegehörten und aufgeführten Komponisten unserer Zeit ist.
Die drei Segenslieder ähnlicher Machart des 1945 in London geborenen Komponisten wurden von Thomas Walter am Klavier souverän begleitet. Mit netten Titeln wie "Go forth into the world in peace", "God be on my head" und "The Lord bless you and keep you" ausgestattet, wurden diese emotional geladenen Stücke glaubwürdig vom Chor vorgetragen und dankbar vom Publikum aufgenommen.
Allerdings muss in diesem Zusammenhang die kritische Frage nach dem Stellenwert Rutters Kompositionen im zeitgenössischen Dialog erlaubt sein.
Nach der Pause folgte dann nochmal ein absoluter Höhepunkt des Konzertabends: John Rutters Requiem. Diese Komposition ist sein bekanntestes Werk, das die Rutter-Legende begründet. Sein Credo auch dabei: Geschmeidigkeit statt Atonalität, Harmonie statt Dissonanz. Seine Musik nimmt deutlich Anleihen bei der Jazz- und Unterhaltungsmusik, geriert sich als untermalende Filmmusik oder gelegentlich musicalartig wie ein Gershwin, und kommt zwischendrin wie Orffs Erfolgsmischung aus Brutal-Rhythmus und schlichter Harmonik daher - klingt schön, reißt mit, verführt, baut auf. Seine musikalische Grundidee für ein „Requiem of our time“ entfaltet der Komponist innerhalb weniger Takte. Es beginnt düster-dumpf-dramatisch, Paukenschläge lassen Furchtbares ahnen, doch dann, bevor das Unheil seinen Lauf nehmen könnte, schlägt es um in eine tröstlich-melodiöse, fast heil anmutende Welt.
Rutters kompositorische Brillanz, melodische Fülle und klangliche Stimmungskunst sind in jedem Fall verführerisch. Dies bewies auch die vom fast 50-köpfigen Chor mit trefflichem Engagement und hoher Detailgenauigkeit realisierte Aufführung. Bruchlos war jede dynamische Nuance möglich, haarfeine Phrasierungen, geschlossene, im absoluten Pianissimo beheimatete Anfänge, jederzeit zum gewaltigsten Fortissimo bereit. Ein ungewöhnlich emphatischer und kommunikativer Chorklang, der die Hörer ansprach, aufnahm, mittrug. Große Präsenz demonstrierten die Sänger insbesondere in klangintensiv verdichteten Teilen, beispielsweise dem energiegelandenen Sanctus mit süßlich läutendem Glockenspiel oder dem alles beschließenden Lux aeterna. Sehr schön, fast elegisch zerknirscht, gelang auch das wenig verhaltene, inständig klagende Agnus Dei.
Die diesmal anders zusammengesetzten acht Instrumentalisten stellten auch hier ihr Können nicht unter den Scheffel. Besonders zu bemerken die gekonnt dargebrachte Weise des Solocellos im Psalmteil "Out of the deep", die düstere Melodien innerhalb ihrer Partie durch den Saal schweben ließ. Auch die Oboe klagte leidenschaftlich filigran im Zusammenspiel mit dem Orchester, wurde jedoch immer wieder durch den alles glättenden und schützenden Firnisklang der Harfe gedeckt. In nichts nach stand die Alsfelderin Elke Saller, die wieder einmal durch ihre gekonnte Handhabung der Pauken begeisterte. Einmal trat Monika Eder noch in dem freundlich friedlichen Mittelteil "Pie Jesu" auf und zeigte ihre stimmliche Brillanz, sowohl intonatorisch als auch gestalterisch. Die warmen, hohen Klänge traf sie mit erstaunlicher Klarheit und verzauberte das Publikum erneut mit ihrer tiefgehenden Gestaltungsgabe, gepaart mit Ausdruckskraft und frappierender Technik.
Langer Applaus folgte schlagartig auf die letzten, im äußersten Piano erklungenen Akkorde. Eine Zugabe, ebenfalls von Rutter, wurde schnell und gerne gewährt und beendete somit erfolgreich das erste Konzert der AMA-Konzertsaison 2012/2013.