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Zum Saisonabschluss von Alsfeld Musik Art trat der Alsfelder Konzertchor mit dem Oratorium "Die letzten Dinge" auf - Foto: Günkel

Beeindruckendes Finale

ALSFELD MUSIK ART geht mit großem Konzert des Konzertchores zu Ende

Alsfeld:(mgg) Es stimmte einfach alles, als der Alsfelder Konzertchor gemeinsam mit der Kammerphilharmonie Bad Nauheim und vier Gesangssolisten das Finale der jüngsten Saison der Reihe Alsfeld Musik Art gestaltete. Unter der Leitung von Thomas Walter führten sie in der katholischen Kirche von Alsfeld Louis Spohrs Oratorium "Die letzten Dinge" auf.

Die Propheten hätten gewusst, dass sie lediglich unzureichende Bilder bieten könnten und nicht die Stimme Gottes direkt gehört hätten, so Bernbeck. Die Uraufführung des Werks habe 1826 in Kassel stattgefunden. Damals habe im Vogelsberg Hunger geherrscht, viele Menschen seien nach Amerika ausgewandert. "Apocalypse Now", kommentierte Bernbeck dieses Ereignis.

Bei der Ouvertüre hatte sich die Kammerphilharmonie innerhalb weniger Minuten bestens eingespielt und bot einen runden, dynamischen Orchesterklang. Damit war sie ein kongenialer Partner für den Konzertchor. Der setze im zweiten Satz mit einem ebenso dicken und warmen wie klaren Klang ein, was überaus beeindruckend war. Damit war gleich der erste Höhepunkt da. Ein weiteres Glanzlicht war der warme und sanfte vierte Abschnitt.

Die Gesangssolisten waren beste Partner für Chor und Orchester. Allein schon die feine musikalische Zwiesprache zwischen Chor und Solisten bei etlichen Stücken war bemerkenswert. Bei den Rezitativen überzeugten die Solisten auf ganzer Linie als Erzähler.

Die Stimmungen der verschiedenen Abschnitte bildeten die musikalischen Akteure in allen denkbaren Schattierungen ab, indem sie ganz fein mit Klangfarben und Dynamik arbeiteten. Nachdem die erste Hälfte zum Großteil aus Lobpreisen besteht, ist im zweiten Teil die Rede von einem gnadenlosen jüngsten Gericht. Nachdem der Chor bei hymnischen und feierlichen Sätzen begeistert hatte, gelangen ihm nun auch hochgradig dramatische Momente.

Zu Recht spendeten die Besucher lang anhaltenden und herzlichen Beifall für eine wunderbare Aufführung. Die Musiker bedankten sich ihrerseits mit einer Zugabe, indem sie das grandiose Finale des Oratoriums noch einmal wiederholten. Zu Beginn hatte Pfarrer Jerzy Dmytruk allen Akteuren für ihr Engagement gedankt.

 

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Cordula Poos (Harfe) und Markus Reich (Percussion) gastierten bei Alsfeld Musik Art - Foto: Günkel

Bunt und erfrischend vielfältig

GASTSPIEL „Duo poco piu“ begeistert in der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule mit rockig, bunten Harfenklängen jenseits der Klischees

Alsfeld:(mgg) Es gibt sie immer noch, diese Klischees der Harfe als sanftes Instrument mit geradezu himmlischen Klängen. Diese Klischees müssen aber nicht immer zutreffen, wie unter anderem die Harfenistin Cordula Poos gemeinsam mit dem Perkussionisten Markus Reich beweist. Gemeinsam bilden die beiden Musiker das Duo poco piu. Ihr Gastspiel in der Konzertreihe Alsfeld Musik Art in der Aula der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule begeisterte.

Heiße Rhythmen

„Poco piu“ ist italienisch und bedeutet „ein bisschen mehr“. Die beiden Musiker versuchen stets, ein bisschen mehr an Klangfarben herauszuholen. Das gelingt ihnen auch. Das Programm in Alsfeld war bunt, erfrischend und vielgestaltig.

Von Anfang an ging es in der Musik von Poos und Reich nicht immer nur sanft zu. Das Eingangsstück „Day And Night And Day“ hatte heiße Rhythmen zu bieten. Von der Harfe kamen strahlend helle Melodietöne und bunte Harmonien. Markus Reich spielte ein Hang. Das ist ein vor 17 Jahren entwickeltes Percussions-Instrument, das melodisches Spiel mit einem glockigen Klang ermöglicht. Nicht nur mit dem Hang, sondern auch mit dem Waterphone hatte Markus Reich ein Instrument zur Verfügung, mit dem er Melodien spielen konnte. Das Waterphone hat Metallstäbe, die man anschlagen, zupfen oder mit einem Bogen streichen kann.

Umgekehrt spielte Cordula Poos gerne mal Percussion-Parts auf dem Holz ihrer großen Doppelpedal-Harfe. So verharrte keiner der beiden strikt in einer Rolle innerhalb des Duos, sondern konnten die Rollen auch mal tauschen. Dabei entstanden beispielsweise beim Stück „Daisy’s Dream“ schöne Dialogspiele, bei denen die beiden einander alle paar Takte mit dem Melodiespiel abwechselten. Aber auch generell traten sie als gleichberechtigte musikalische Partner auf.

Beide Musiker waren ungeheuer virtuos. Markus Reich nutzte das unter anderem, um Rockrhythmen mit komplexeren Strukturen zu versehen – ohne ihnen damit ihre Eingängigkeit zu nehmen. Cordula Poos spielte virtuose Läufe ebenso wie singbare Melodielinien. Ob sie schwebende Sounds mit perlenden Figuren erzeugte oder bewusst überpräsent klingende Riffs spielte – es klang stets überzeugend. Wenn sie zum Mikrofon griff, erzeugten ihre bewusst simplen und manchmal wie gesprochen wirkenden Gesangsmelodien einen Gegenpol zu dem Klangfarbenreichtum ihres Harfenspiels.

Publikum miteinbezogen

Für ein Stück teilte Markus Reich im Publikum kleine Instrumente aus, mit denen man Vogelstimmen imitieren kann. Gerne ließen sich diejenigen, denen er eines in die Hand drückte, dazu einladen, damit beim Titel „Flying“ mitzuspielen. Die stimmungsvollen Klänge des Duos waren dabei eingebettet in eine große Soundcollage. Am Ende bedankten sich die beiden Musiker nicht nur bei Annette Thon und Thomas Walter vom Arbeitskreis Alsfeld Musik Art, sondern auch beim Publikum. Es sei wunderbar, für kommunikative Konzertbesucher zu spielen, die einem etwas zurückgäben.




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Das Aris-Quartett mit Mozart. V.l.n.r.: Anna Katharina Wildermuth, Noémi Zipperling, Caspar Vinzens und Lukas Sieber - Foto: Windisch-Laube

Große Kammermusik aus Österreich, Ungarn und Böhmen

Das junge Aris Quartett begeisterte bei Alsfeld Musik Art

Alsfeld: (WWL) Mit dem 1783 entstandenen d-Moll-Streichquartett von Wolfgang Amadé Mozart eröffnete das Frankfurter Aris Quartett den jüngsten, herausragenden Kammermusikabend der renommierten Reihe Alsfeld Musik Art. Bereits mit den ersten Tönen wurde in jedem Sinne spürbar, auch durch Mimik und Bewegungen der Musiker_innen erlebbar, was den Wesenskern dieses und wohl fast des gesamten Mozartschen Werkes ausmacht: das Auftreten und Dialogisieren in Töne gebrachter Bühnencharaktere. Vier „Darsteller“ im Alter von Mitte 20 „verkörperten“ am Samstag Mozarts Rollen- und Gestenspiel auf dem Podium der neuerlich zum Konzertsaal umgebauten Aula der Albert-Schweitzer-Schule, zwei junge Frauen an den Violinen – in Chorkategorien: Sopran und Alt –, sowie zwei junge Männer – Tenor und Bass gleichsam – an Viola und Violoncello, zusammen als Aris Quartett figurierend. Es setzt sich zusammen aus Anna Katharina Wildermuth und Noémi Zipperling (Violinen), Caspar Vinzens (Viola) und Lukas Sieber (Violoncello). Bei ihrem Alsfelder Gast-Spiel belegten sie erneut in höchst bemerkenswerter Vielfalt und Eindringlichkeit, dass ihnen die Preise im vergangenen Jahr beim Weimarer Joseph Joachim Kammermusikwettbewerb und beim Münchener ARD-Wettbewerb mit vollstem Recht zuerkannt worden waren.

D-Moll war die Grundtonart des Konzertabends, die Tonalität von Mozarts Requiem und seiner Don-Giovanni-Oper ebenso wie diejenige von Bachs Kunst der Fuge oder seiner Violin-Chaconne. Zwei gängige Tonartencharakteristiken des 18. Jahrhunderts, abgefasst durch Johann Mattheson und Christian Friedrich Daniel Schubart, verorten d-Moll sehr unterschiedlich in den Bezirken des Altehrwürdig-Ruhigen und des Pathetisch-Leidenschaftlichen, vorzugsweise Melancholischen. Beide Zuschreibungen galt es als quasi Pole in den aufgeführten Werken zu erspüren, auf Seiten der Interpreten ebenso wie auf denen der Zuhörerinnen, ohne dass freilich die Werke in ihrer Mannigfaltigkeit und Vielschichtigkeit damit zu erfassen wären.

Frucht eines musikalischen Dialogisierens ist Mozarts Quartett auch insofern, als er sich auf dem Experimentierfeld Streichquartett in einen künstlerischen Austausch mit Joseph Haydn begeben hatte. Alle Facetten des Mozartschen ‚gemischten‘, über Haydn hinausweisenden Stils vom Divertimento-Ton bis zur sakralen Atmosphäre, von Bachscher Polyphonie bis zu bereits romantischen Ausdruckslagen wurden im Spiel der zwei Musiker und zwei Musikerinnen wunderbar anschaulich, so zuerst das Ernste bis Pessimistische, teils Unstete, doch zugleich sehr Farbenreiche des ersten Satzes, Allegro moderato, wo große Bögen und Zerklüftungen sich permanent in einem Spannungsverhältnis befinden. Im zweiten, dem Andante-Satz, brachten die vier auf der Bühne seine graziösen Passagen buchstäblich zum Tanzen und die lichten Momente klanglich zum Leuchten; seine Chromatik im mittleren Teil wurde geradezu körperlich erfahrbar. Mozarts Menuetto, Satz 3, ist hier, mit Allegretto überschrieben, beinahe ein Scherzo, von unwirsch bis schwermütig. Und im Schlusssatz, nicht nur in seiner 6/8-Taktart die geraden und ungeraden Metren der Sätze davor vereinend, sondern auch in anderen Hinsichten vom Komponisten als Synthese konzipiert, war es besonders der innere Widerstreit zwischen Beglückung zum einen, flehentlicher Gestik und schmerzlicher Erfahrung zum andern, welche das Aris Quartett klar und ebenso empathisch wie emphatisch ausformte. Im Disparaten bis Desperaten des Finales wie auch in der großen dynamischen Bandbreite, samt häufigen Lautstärke-Umschwüngen, des Opus insgesamt, lässt sich, ohne fragwürdige Analogien allzu stark bemühen zu wollen, seine Entstehungsgeschichte parallel zur Hochschwangerschaft Constanze Mozarts und Geburt des ersten Sohnes gespiegelt finden.

Vor dem zweitem Programmpunkt, dem „Officium“ des zeitgenössischen ungarischen Komponisten und Henze-Altersgenosssen György Kurtág, einem ‚Minirequiem‘ laut eigener Aussage, gab der Cellist des Quartettes, die Handreichungen des Programmheftes ergänzend, einige veranschaulichende und sehr hilfreiche Erläuterungen zum Verständnis der minimalistischen Kompositionsweise des Stückes. Es rückt den einzelnen Ton als Ausdrucksträger in den Vordergrund und gibt in extrem kurzen Einzelsätzen eine Art musikalischer Essenz, verbunden mit der Huldigung Kurtágs an zwei verstorbene Komponistenkollegen, das musikalische Vorbild Anton Webern und den Freund Endre Szervánskzy. Die hochkonzentrierte Darreichung dieses kurzen, vielsätzigen modernen Streichquartettes erwies nicht nur deutlich, wie entscheidend bei Werken solcher Art das unmittelbare Erleben und Mitvollziehen in der Konzertsituation ist, sondern auch, wieviel Reflexion, erprobte Kommunikation und genaueste Auslotung der interpretatorischen Mittel bis in den einzelnen Ton hinein einer Aufführung vorauszugehen hat.

Das aufgeschlossene und höchst konzentriert zuhörende Alsfelder Publikum wurde durch Kurtágs Miniaturen mit zum Teil neuen Klangerfahrungen konfrontiert, etwa im bewussten Einsatz von Schwebungen oder Interferenzen und darüber das Hineinlauschen in Bereiche der Mikrointervallik. Einzelne Töne und Tongruppen konnten als gleichsam klingend geschliffene oder auch gravierte edle Steine wahrgenommen werden. Das plötzliche Verstummen des Stückes im Zitat aus der Serenade des Freundes, dessen vorzeitigen Tod bedeutend, ließ alle im Saal noch für einige Momente innehalten, bevor auch dies auf eigene Weise experimentelle Werk mit großem Applaus bedacht wurde.

Eine gänzlich andere Sphäre betraten Ausführende und Auditorium gemeinsam nach der Pause mit Schuberts d-Moll-Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“. Das ist keineswegs „Der Klassiker Schubert“, als welchen ihn der Musikwissenschaftler Walter Vetter etablieren wollte, vielmehr wird hier Schuberts Kompositionsweise prototypisch für das dezidiert romantische ‚Zwei-Welten-Modell‘. Anschaulich wurde das schon in der merklich anderen Körpersprache der Streichquartett-Mitglieder, worin Entrückung durch die Kunst und Fremdheit gegenüber der „normalen“ Lebenswelt wettzustreiten schienen. Schuberts Lebenssituation zwischen Restriktionen und Zensuren der Metternich-Ära einerseits und einer neu gewonnenen Kunst-Freiheit findet im d-Moll-Quartett ihren exemplarischen Ausdruck.

Eines der ganz großen Meisterwerke nicht nur Franz Schuberts, sondern der Kammermusikliteratur überhaupt, konnte mit der ebenso blitzsauberen wie zuweilen schneidend scharfen Interpretation des Aris-Quartetts in jedem seiner Sätze als hochkünstlerisches Dokument einer Ambivalenz bis Zerrissenheit durchlebt werden, die Schubert tatsächlich zu einem der ersten Künstler formte, in dessen Werk die Irritationen des industriellen Zeitalters ihren Niederschlag fanden. Auch und gerade wenn der Tod in diesem Opus allgegenwärtig scheint, sind es doch besonders die durch das Aris-Quartett plastisch herausgearbeiteten Lebens-Aspekte, die immer neu zu fesseln vermögen: so das plötzliche Lichte, das Wienerische und Tänzerische, der Rückzug in Versonnenheit und Glücksempfindungen. In den ebenso handwerklich soliden wie hochbewussten Setzungen des prämodernen Künstlers Schubert bleiben jene ‚zwei Welten‘ nicht getrennt, sondern greifen ineinander.

Auch vermittelte gerade die Darbietung in diesem Konzert eindringlich, dass Schubert weit mehr ist als ein Erfinder beseligender Melodien. Durch die Coda des Kopfsatzes meisterhaft vorbereitet, zeigt just der zweite Satz, in Schuberts sieben Jahre zuvor entstandenem Claudius-Lied „Der Tod und das Mädchen“ fußend, immer neu, dass die Exploration des Bereiches Klang die eigentliche Domäne des 19. Jahrhunderts war. Zugleich hat der programmmusikalische Aspekt dieses Streichquartettes hier seinen Angelpunkt: die Gesichter des Todes blicken aus der Musik hervor, leichtfüßig oder schroff, tänzelnd oder tröstlich und mit Erlösungs-Verheißung, gleichsam höhnend oder ganz Natur. Auch im Finalsatz mit seiner schwindelerregend virtuosen Stretta blieben keine Wünsche offen.

Mit der Zugabe vermochten die jungen Künstlerinnen und Künstler, allesamt Absolventen der Frankfurter Musikhochschule, in Gestalt des Finalsatzes aus Antonín Dvořáks ‚Amerikanischem Quartett‘ noch ein gänzlich anderes Fenster aufzustoßen und den nachdenklich-existentiellen Stoff des vorherigen Konzertprogramms heiterer zu überwölben. Ein großer Kammermusikabend ging damit zu Ende, bis in letzte Feinheiten und Verästelungen hinein klug und meisterlich gestaltet durch ein junges Ensemble, dem glänzende Zukunftsaussichten nicht allein zu wünschen, sondern auch zu prophezeien sind.

Als nächstes in der Konzertreihe erwartet die wachsende Schar der Musik-Art-Besucher, dann schon inmitten des aufkeimenden Frühlings, ein Spätnachmittag in der aparten Besetzung einer Harfe mit Percussion und Gesang: am Sonntag, dem 26. März, bereits um 17 Uhr.



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Pianistin Maria Ollikaien und Cellist Ulrich Horn bei ihrem Auftritt - Foto: Günkel

„Beifall für gerettetes Konzert“

Alsfeld Musik Art: Cellist Ulrich Horn & Pianistin Maria Ollikaien springen ein

Alsfeld (mgg). Innerhalb von zwei Tagen war es den Verantwortlichen der Konzertreihe Alsfeld Musik Art und des hr-Sinfonieorchesters gelungen, eine neue Besetzung und ein neues Programm zu finden, nachdem das eigentlich vorgesehene Barockkonzert aus Krankheitsgründen hatte abgesagt werden müssen. Stattdessen gab es am Sonntag Musik mit dem Cellisten Ulrich Horn und der Pianistin Maria Ollikainen. Annette Thon vom Arbeitskreis der Alsfelder Reihe dankte dem Orchester dafür, so schnell ein anderes Programm ermöglicht zu haben.

Ulrich Horn ging zunächst alleine auf die Bühne und spielte Johann Sebastian Bachs erste Suite für Violoncello solo (BWV 1007). Seine Interpretation war schnell und bewusst trocken. Barockmusik wird oft so interpretiert, weil viele Musiker sie als Gegenteil der Romantik verstehen. Wer solche Musik in dieser Form mag, für den war Horns Interpretation absolut stimmig und gelungen.

Bei Ludwig van Beethovens Sonate für Violoncello und Klavier in A-Dur op. 69 waren erstmals beide Interpreten zu hören. Sie legten eine klangschöne Interpretation hin mit weichem, oft elegant perlendem Klavier und mit einem singenden Cello. Zeitweilige Dramatik war bei den beiden immer auch galant, die Klangschönheit durfte da nicht weichen. Gleiches galt für den zweiten Satz. Der dritte Satz begann mit einer langsamen Einleitung, die die beiden ruhig und einfühlsam spielten. Dieser letzte Satz war auch insgesamt der lebendigste und am meisten gelungene der Beethoven-Interpretation.

Nach der Pause überzeugte das Duo noch mehr. Bei der Sonate für Violoncello und Klavier in e-Moll op. 38 von Johannes Brahms schienen die beiden Musiker besonders in ihrem Element zu sein. Ihr Zusammenspiel war bei dieser Komposition am allerbesten. In tiefer Lage weinte am Beginn das Cello. Das Klavier gab kleine, leise Akkorde von sich, die irgendwie verloren wirkten.

Irgendwann kam mehr Bewegung in die Musik, die dann mal verträumt und mal angespannt wirkte. In den verträumten Momenten klangen beide Instrumente sehr entspannt. Diese Passagen waren vielleicht die schönsten in diesem Konzert. Dramatische Momente wirkten in dieser Interpretation von der Bewegung her schwer. Der zweite Satz war etwas getragener. Im dritten war noch einmal besonders viel an Eindrücken, die die Musiker auch transportierten. Mit herzlichem Beifall bedankten sich die Besucher für das gerettete Konzert. Die Musiker dankten ihrerseits mit einer Zugabe, einer verträumten Version von Edward Elgars „Salut d’amour“.



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Premiere bei Alsfeld Musik Art: Ein e-Bass auf der Bühne - Bernd Heitzler (Mitte) zusammen mit
Matthias Daneck (Drums) und Helmut Lörscher (Piano) - Foto: Stefan

„Tristanesque“: alles andre als trist

Alsfeld Musik Art: Das Helmut-Lörscher-Trio begeistert mit seinem Wagner-Programm die Zuhörer

Nach gut drei Jahren wieder in Alsfeld, bei Musik Art zu Gast: das Freiburger Helmut Lörscher Trio, eine Jazz-Formation, die in fast allen Stilen zu Hause ist. War seinerzeit, im Februar 2013, der Bassist der Stamm-Besetzung, Bernd Heitzler, gegen einen anderen renommierten (Henning Sieverts) ausgewechselt, so diesmal der Stamm-Schlagzeuger (Harald Rüschenbaum), gegen Matthias Daneck, der durchaus eigene Akzente zu setzen vermochte, ist er doch ein Jazz-Drummer des ‚Cross-Over‘ von Ethno über Dance bis ‚Electro‘ und Rock.

„tristanesque. reflections in jazz“ hieß das fulminante Konzert; fangen wir seine Besprechung einmal mit den Zugaben an. Helmut Lörschers Spezialität ist es, auf Zuruf über eine oder mehrere aus dem Publikum genannte Melodien zu improvisieren, und zwar nicht einfach nach eigenem Gusto, sondern in Musiker-Stilen, die ebenfalls durch die Zuhörer_innen bestimmt werden. In Alsfeld wurde von den schnellsten gewünscht: „Der Mai ist gekommen“ und „Doktor Schiwago“, im Stil von Brahms und Prokoffief. Die Synthese gelang Lörscher ebenso stilsicher wie humorvoll und expressiv. Mit Jazz freilich hatte das Ergebnis hier erwartungsgemäß kaum etwas zu tun, beherrscht doch der Pianist Lörscher das Improvisieren, Paraphrasieren und Fantasieren weit über die entsprechenden Genres hinaus. An der Freiburger Musikhochschule wirkt er als Professor für „Schulpraktisches Klavierspiel“, als ‚klassischer‘ Musiker ebenso mit allen Wassern gewaschen wie als Komponist, Pianist, Improvisator, Arrangeur im Bereich des Jazz, oder sogar als Konzert-Moderator. Zusammen mit seinen nicht minder hochkarätigen Mitmusikern Bernd Heitzler, Bass, und Matthias Daneck am Schlagzeug, gab er noch eine zweite Zugabe, ebenso zündend wie kurz: eine Jazz-Fassung der Badinerie aus Johann Sebastian Bachs h-moll-Orchestersuite; und knüpfte damit an das frühere Alsfelder Auftreten an, wo Bach-Adaptionen just unter dem Titel „badinerie“ auf dem Programm gestanden hatten.

Für den Abend in 2016 hatte Lörscher Trio sich ein anderes Programm aus 2013 vorgenommen, dem Jahr von Richard Wagners 200. Geburtstag: eben „tristanesque. reflections in jazz“ – ein vergnüglicher Weg durch Wagners Opernwelt, sei es als Walk, Run, Ritt oder Flug …

‚Flucht‘, gestaltet mit zügigem Walking Bass und Tremoli, stand in „Haunted“ am Anfang des Konzertes, bezogen auf die fliehende Sieglinde in der Ouvertüre zur „Walküre“ und auf Wagners stetiges Auf-der Flucht-Sein. Im titelgebenden „Tristanesque“ erfährt der legendäre, vielzitierte und häufig während der letzten eineinhalb Jahrhunderte angespielte „Tristan-Akkord“ noch einmal neue, balladeske Beleuchtungen. Der Matrosenchor des noch frühen Wagner aus seinem „Fliegenden Holländer“ gerät beim Lörscher Trio zum Bebop-Feuerwerk. Fürs bessere Verständnis der „Rheingold-Fantasie“ sodann, eine Art jazzgetränkter Opern-Summary in 7 Minuten, gab Lörscher zunächst eine anschaulich witzige Einführung in die stoffliche Thematik und musikalische Motivik der Wagnerschen ‚Ring‘-Tetralogie und vornehmlich seiner ‚Vorabend‘-Oper, die den Raub und die Rolle des Rheingoldes ausbreitet. Swing, doch kein ganz „easy“ zu hörender, war angesagt in der vielschichtigen Bearbeitung der „Tannhäuser“-Ouvertüre; und mit einer tiefgründigen Montage wurde das Publikum in die bei Alsfeld Musik Art stets ausnehmend kommunikative Pause entlassen: John Coltranes „Giant Steps“ von 1960, auf Akkordfolgen in mediantischer Terzverwandtschaft à la Franz Liszt, Wagners Schwiegervater, beruhend, in Kombination mit der feierlich-choralhaften Akkordik von Wagners „Meistersinger“-Ouvertüre, das ist als Unterfangen schon ‚tricky‘ zu nennen, geht jedoch unter so meisterlichen Händen nicht bloß im Titel auf: „Master’s Steps“.

Erneut mit einer Ouvertüre begann der zweite Konzertteil. Das ‚Lodengrün‘ heroisierender „Lohengrin“-Deutung unterliefen Lörscher und seine Mannen durch ironisierende Brechung des Fanfarenmotives. Hier wurde ihr Jazz funky, schon äußerlich erkennbar an der Präsenz eines E-Basses an Körper und Arm des ansonsten Kontrabassisten Bernd Heitzler. Auch hier wie an seinem mannshohen Hauptinstrument veranlasste Heitzlers klar-präzises, melodisches und partnerschaftliches Spiel das Publikum immer wieder zu enthusiastischem Zwischenapplaus. Als Dozent an der Freiburger Hochschule (und somit Kollege Lörschers) ist Bernd Heitzler übrigens für „Orchesterleitung, Ensemble Jazz/Pop“ zuständig. Der Meister der Drums, Matthias Daneck, in seinem Spiel und Groove ebenso unbestechlich wie locker und farbenreich, hatte ein ganzes Arsenal verschiedener Sticks, Besen und Schlägel in seinem Köcher, und allein deren Wechsel innerhalb der Stücke grenzte an Virtuosität.

Die „Meistersinger von Nürnberg“ durften den breitesten Raum einer einzelnen Wagnerschen Oper in diesem Konzert einnehmen, und hier zeigte sich eindrücklich, dass dies Werk ganz andere Qualitäten aufweist als jenes Deutschtümelnde (mit dem es seinerzeit zu Hitlers Lieblingsoper wurde): nämlich stark und hintersinnig humoristische ebenso wie berückend lyrische. Die Gestalt Beckmesser vertritt das ‚ewig Gestrige‘ in Wagners Oper, den verstaubten und verknöcherten Traditionalismus, der sich letztlich selbst karikiert; Protagonist Walther demgegenüber verkörpert Wagners Diktum: ‚Kinder, schafft Neues!‘. Und so darf Walther zwar auch in der Jazz-Fassung die mittelalterliche „Barform“ aus Stollen, Stollen und Abgesang beibehalten, „singt“ aber sein, da in melodisch-harmonischer Freiheit wurzelnd, gefühlsintensives Meisterlied als klanglich weiter geschärfte Jazz-Ballade und somit etwas nochmals Neues. Um dem noch ‚eins draufzusetzen‘, folgte unterm Titel „Beck the Knife“ eine höchst gekonnte Kompilierung aus Beckmesser-Motiven und Kurt Weills Mackie-Messer-Ballade; „Meistersinger“ (Wagners einziges Werk im komischen Genre) plus „Dreigroschenoper“ also.

Richard Wagner als „reiner“ Orchesterkomponist, und hier, im Latin-Feel, sozusagen auf seine Anfänge als Klaviercompositeur in Beethovens Fußstapfen zurückgeführt, dafür stand Lörschers „Siegfried-Idyll“. Und Wagners Mega-Hit (wenn wir vom Brautlied „Treulich geführt“ diskret absehen) hatte sich das Trio für den Schluss des regulären Programms aufgehoben: den Wagnerschen Handy-Klingelton und Gassenhauer über sportlich beflissene Frauen mit großer, heldenhafter Mission – den „Walküren-Ritt“. Atemberaubend war er nun hier nicht in erster Linie etwa per Geschwindigkeit, vielmehr durch seine Komplexität und differenziert entwickelte Expressivität auf der Grundlage afro-kubanischer Rhythmik.

Wer Lörschers Wagner-Anverwandlungen von CD schon kannte, hatte immer wieder die Chance, neue improvisatorische Volten, zusätzliche Einflechtungen und solistische Einwürfe wahrzunehmen und wirken zu lassen. Hier liegt ein besonderer Reiz der Adaptionen des Lörscher-Trios, zeigt sich ihre Spannweite und Spannung zugleich: dass die Stücke einerseits auf deutlich mehr kompositorischer Konzeption und Ablaufplanung, auch fest Notiertem beruhen als im verbreiteten Jazz und doch andererseits weidlich Spiel- und Entfaltungsräume für die einzelnen Musiker bleiben. Die artistischen bis intellektuellen Konzepte und Verläufe in Ruhe und bei mehrfachem Hören nachzuvollziehen, erlaubt die frei erhältliche CD-Einspielung allemal, auch wenn Esprit und Freizügigkeit des Augenblicks sich ganz nur im Konzert und seiner Atmosphäre vermitteln. Die Dankbarkeit und Begeisterung des wie stets bei Musik Art zahlreichen Publikums hierfür war unmittelbar zu spüren.



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Alexey Sychev spielt zur Saisoneröffnung von „Alsfeld Musik Art“ - Foto: Günkel

Gelungenes Wagnis

Alsfeld Musik Art: Alexey Sychev gestaltet Saisoneröffnung mit Klavierabend mit Liszt-Schwerpunkt

Alsfeld. Einen Klavierabend fast vollständig mit Musik von Franz Liszt zu gestalten, ist ein Wagnis. Dafür zu sorgen, dass das Ganze bis zum Ende spannend und kurzweilig bleibt, ist eine Herausforderung. Dieser Herausforderung stellte sich der Pianist Alexey Sychev erfolgreich, als er zum Saisonauftakt der Reihe "Alsfeld Musik Art“ in der Aula der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule gastierte.

Den Einstieg bildete Franz Schuberts „Wanderer-Fantasie“. Alexey Sychev kümmerte sich hauptsächlich darum, die Strukturen der Musik präzise herauszuarbeiten. Durch seine sehr klare Tongebung kam die Stimmführung sehr deutlich heraus. Indessen verzichtete der Pianist darauf, die Emotionalität allzu sehr auszukosten. Dadurch standen auch nicht die Brechungen des Lyrischen im Vordergrund. Die entstehen dadurch, dass Schubert lyrische Momente mal mehr, mal weniger ins emotional Ambivalente kippen lässt. Es kommt eben immer darauf an, was dem jeweiligen Interpreten am wichtigsten ist.

Dass Sychev in dieser Weise auf Klarheit setzte, machte seine Liszt-Interpretationen so spannend. Denn Liszt neigt dazu, kurze spektakuläre Momente aneinander zu reihen, und das kann auf die Dauer eher anstrengend werden. Sychev schaffte es, diesen Aneinanderreihungen eine Gesamtdramaturgie und eine Art von Logik abzugewinnen. Durch seine extrem klare Tongebung wurden selbst dickste Akkorde niemals matschig.

Bei der Ungarischen Rhapsodie Nr. 12 baute er vom ersten Takt an eine große Spannung auf – nur mit ein paar knalligen Akkorden und ein wenig Grummeln im Bass. Lyrische Momente ließ Sychev niemals kitschig werden – und setzte sie als schönen Kontrast zum Spektakulären ein. Verspieltes mit hell klingenden, perlenden Läufen klang immer so locker wie möglich. Auch insgesamt ließ er diese Musik niemals überfrachteter wirken, als sie ohnehin schon ist. Kurzum: Das Zuhören konnte auch denen Freude bereiten, die Liszts Musik normalerweise nicht mögen. Die erste Hälfte beendete Sychev mit einer grandios inszenierten Tarantella aus Liszts „Venezia e Napoli“.

Franz Liszt hat neben sehr vielen eigenen Klavierkompositionen auch Klaviertranskriptionen von Musik mit Orchester gemacht. Auch eine Version des „Liebestodes“ aus Richard Wagners Oper „Tristan und Isolde“ ist dabei. Mit ihr eröffnete Alexey Sychev den zweiten Programmteil. Hörbar absichtlich vermied er es, sich allzu sehr in Wagners Pathos zu ergehen. Diese seltsame Düsternis des „Tristan“ kam bei ihm nicht ganz so heraus, aber eben auch nicht diese Schwülstigkeit.

Zum dritten Mal in fünf Jahren stand Liszts h-Moll-Sonate auf dem „Musik Art“-Programm. Mit ihr gestaltete Alexey Sychev das Finale seines Konzerts. Die vielen kleinen Abschnitte dieser Sonate setzte der Pianist deutlich voneinander ab und erhielt zugleich über diese einzelnen Abschnitte hinweg eine Grundspannung aufrecht.

Diese Spannung entstand gerade dadurch, dass er nicht allzu bombastisch spielte. Emotional Dampf abzulassen, damit wartete er immer, bis es dem Gefühl nach nun wirklich nicht mehr anders ging. Wenn es dann soweit war, wirkten Explosionen und triumphale Momente umso stärker. In ruhigen Momenten vermied es Sychev, allzu langsam zu werden, um auch hier das Ganze zusammenzuhalten. Bei der h-Moll-Sonate bis zum Schluss aufmerksam zu bleiben, ist bei vielen Interpreten nicht leicht. Bei Alexey Sychev ging das. Für den großen Beifall bedankte er sich mit einer Zugabe (die er leider nicht ansagte): Es war die Liszt-Version von Niccolò Paganinis „La Campanella“. Nach so viel Liszt machte auch diese Zugabe richtig Spaß.