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Die Musiker des Saisonabschlusses von Alsfeld Musik Art: PohSuan Teo, Christian Niedling,
Wladimir Pletner, Cornelia Haslbauer, Marina Pletner, Olga Maljutina und Alexander Urvalov.
Cembalistin Di Jing konnte beim Fototermin nach dem Konzert nicht mehr dabei sein.
Foto: Martin G.Günkel

Eigenes Programm verdient...So titelt die Oberhessische Zeitung zum Konzert der Musikschullehrer

Musik Art: Saisonabschluss der 26. Konzertreihe mit Lehrkräften der Alsfelder Musikschule

Alsfeld. Dass sich unter den Lehrkräften der Alsfelder Musikschule hervorragende und zum Teil international tätige Konzertmusiker befinden, wollte der Arbeitskreis Alsfeld Musik Art zum Abschluss seiner 26. Konzertreihe unter dem Titel „Musikschulprofile“ zeigen. In einem fast zweieinhalbstündigen Programm spielten die beteiligten Musiker in vier verschiedenen Besetzungen und deckten dabei Repertoire aus vier Jahrhunderten ab.
PohSuan Teo (Barockvioline) und Christian Niedling (Barockcello) kamen mit einer Gastmusikerin, der Frankfurter Cembalistin Di Jing auf die Bühne. Jing ist seit einigen Jahren eine bewährte Partnerin der beiden Streicher. Mit der Violinsonate e-Moll op. 2, Nr. 1 aus der Feder Jean-Marie Leclairs des Älteren eröffnete das Trio das Programm. Eine gelungene Aufführung.
Noch besser, weil noch emotionaler und mit noch mehr dynamischer Bandbreite versehen, waren die Variationen über „La folia“ von Arcangelo Corelli op. 5, Nr. 12. Das Thema kam getragen in Ausdruck und mit einem wunderbar großen Klang daher. Die erste Variation wirkte ein wenig entrückt. Die zweite war schnell und kraftvoll, die dritte noch mehr – ein wahres Feuerwerk. Auf alle Stimmungswechsel reagierten die Musiker feinfühlig. Sie arbeiteten die Abwechslung in der Komposition ganz und gar heraus, zugleich gelang es ihnen, von Anfang bis Ende einen großen erzählerischen Bogen zu spannen.
Entgegen allen Vorurteilen gibt es in der sogenannten historischen Aufführungspraxis barocker Musik nicht nur Formationen wie Reinhard Goebels Musica Antiqua Köln, die alles zu schnell und ohne solche Dinge wie Vibrato oder Tempowechsel durchziehen, also anti-romantisch interpretieren. Musiker wie der Lautenist Nigel North praktizieren das genaue Gegenteil. Teo, Niedling und Jing gehören zu den Interpreten, denen es in ihren Aufführungen gelingt, die Musik pulsierend, aber eben auch erzählerisch zu spielen.
Barockvioline und -cello sind einfach gute Instrumente mit wunderbaren Klangfarben und schönem Anspracheverhalten, und eigentlich braucht nicht gesagt zu werden, dass es keinen Grund gibt, ausschließlich sogenannte Alte Musik auf ihnen zu spielen. Zu zweit legten PohSuan Teo und Christian Niedling eine wunderbare Version des Jazzklassikers „Take Five“ hin, der immer wieder zu den Höhepunkten ihrer Programme gehört.
Olga Maljutina und Alexander Urvalov spielten drei Werke für Klavier zu vier Händen: Claude Debussys „Petite Suite“ sowie „Les entretiens de la Belle et de la Bête“ und „Laideronnette, Impératrice des Pagodes“ aus Maurice Ravels „Ma mère l'oye“. Musikschulleiter Walter Windisch-Laube las die beiden Texte aus den literarischen Vorlagen, die Ravel seinen Stücken beigegeben hat. Das Klavierduo begeisterte mit seinem Zusammenspiel und mit seiner einfühlsamen Art der Interpretation. Bei Ravel führten sie einem die dazugehörigen Geschichten vor Augen, bei Debussy spielten sie ebenfalls überaus erzählerisch. Bei beiden Komponisten gelang es ihnen unter anderem, die Musik in den richtigen Momenten kraftvoll und groß und dabei niemals schwer klingen zu lassen. Allein schon das sorgte für faszinierende Darbietungen.
Gemeinsam mit der Mezzosopranistin Cornelia Haslbauer interpretierte Alexander Urvalov das Lied „Ob heller Tag“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowski, der wenige Tage zuvor 175 Jahre alt geworden wäre, die Lieder „Frühlingsmorgen“ und „Erinnerung“ von Gustav Mahler sowie Alexander Zemlinskys Walzer-Gesänge op. 6. Kraftvoller Gesang und Urvalovs vielfarbiges Spiel trafen bei diesen oft dramatischen oder melancholischen Liedern aufeinander.
Zum Schluss gehörte die Bühne dem Geiger Wladimir Pletner und der Pianistin Marina Pletner, die einmal mehr mit ihrem Zusammenspiel und mit ihrem Feingefühl besonders für romantische Musik begeisterten. Die Romanze aus dem zweiten Violinkonzert in d-Moll von Henryk Wieniawski etwa war unglaublich ausdrucksstark. Auch beim Impressionisten Claude Debussy und seiner Komposition „Beau Soir“ gelang ihnen eine einfühlsame Interpretation mit vielen farblichen und dynamischen Nuancen. Auf dem Programm der beiden Musiker standen außerdem Fritz Kreisler, Reinhold Glière, Delphin Alard und William Kroll.
Es war ein überaus gelungenes, wenn auch langes Programm. Gleichwohl hatte das Ganze noch eine andere Seite. Denn eigentlich hätte jede der Formationen ein eigenes Konzertprogramm verdient gehabt, wie es auch die Musiker von außerhalb zumeist bekommen. Das sollte der Arbeitskreis im Laufe der nächsten Spielzeiten nach und nach nachholen.




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Oboist José Luis García Vegara, die Geigerinnen Stefanie Pfaffenzeller und Akemi Mercer-Niewöhner,
der Bratschist Dirk Niewöhner, die Harfenistin Anne-Sophie Bertrand und der Cellist Ulrich Horn (von links),
Musiker des hr-Sinfonieorchesters, gastierten bei Alsfeld Musik Art.
Foto: Martin G.Günkel

"Neue Musik" zugänglich gemacht

Kammerkonzert: Musiker des hr-Sinfonieorchesters gastieren bei Alsfeld Musik Art

Alsfeld. Die sogenannte Neue Musik besteht auch aus 'schrägen' Kompositionen, aber bei Weitem nicht nur. In der Konzertreihe Alsfeld Musik Art hat in der laufenden Saison oft die Gelegenheit bestanden, dies zu erfahren. Das galt auch für den fünften und vorletzten Abend der Spielzeit, ein Kammerkonzert des hr-Sinfonieorchesters.
Die Besucher in der nahezu vollbesetzten Aula der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule ließen sich gerne auf die mit Vorurteilen besetzten Klangwelten ein und spendeten lang anhaltenden Beifall. Es spielten der Oboist José Luis García Vegara, die Harfenistin Anne-Sophie Bertrand, die Geigerin Stefanie Pfaffenzeller sowie das Webern Trio Frankfurt, bestehend aus der Geigerin Akemi Mercer-Niewöhner, dem Bratschisten Dirk Niewöhner und dem Cellisten Ulrich Horn.
Mit der „Fantasy Sonata“ für Viola und Harfe von Arnold Bax begann das Konzert, es spielten Dirk Niewöhner und Anne-Sophie Bertrand. Während manch ein Zeitgenosse des Briten, der von 1883 bis 1953 lebte, atonale und als schwer zugänglich geltende Musik geschrieben hat, ist die Musik Bax' in ihrer Harmonik zwar modern, aber eingängig. Der erste Satz der „Fantasy Sonata“ ist verspielt und verträumt, allein schon die Harmonik verleiht ihm etwas Schwebendes. Das bleibt auch dann erhalten, wenn die Musik mal energiegeladen ist. Auch die positive Grundstimmung bleibt immer erhalten.
Beide Interpreten setzten das mit einem warmen Ton um und mit einer überaus natürlich wirkenden Gestaltung dynamischer Übergänge. Der zweite Satz wirkte in dieser Aufführung fast noch verspielter als der erste, mit schönen gebrochenen Harfenakkorden unter den klaren und singenden Linien der Bratsche. Als die Instrumente einmal innerhalb des Satzes in einen wilden und skurrilen Dialog miteinander traten, war das ebenfalls bestens nachvollziehbar. Das war einer der Momente, in denen das gute Zusammenspiel zwischen beiden Interpreten besonders deutlich wurde.
Sehr beruhigend war der langsame dritte Satz. In ihm kam die Harfe einmal ganz alleine zum Zuge, wobei sie besonders farbenreich klang. Als die Viola wieder hinzukam, wurde die Musik für eine Weile immer entrückter, ehe sich beide Interpreten sehr schön in den nächsten kraftvollen Moment hineinsteigerten. Sehr energetisch und dabei stets locker war der vierte und letzte Satz. Auch in Passagen, in denen die Musik besonders groß klang, wirkte sie niemals schwer.
Wie Dirk Niewöhner, der den Abend anschaulich moderierte, erklärte, ist Isang Yuns Quartett für Oboe und Streichtrio das letzte Werk des Komponisten. Yun lebte von 1917 bis 1995 und war koreanischer Abstammung. Er versuchte, die musikalischen Einflüsse Koreas und Europas miteinander zu verbinden. So sind die vielen Glissandi (stufenloses Gleiten von einer Tonhöhe in eine andere) von der asiatischen Musik inspiriert. Das Quartett ist eine Komposition, in der die vier Instrumente sehr unabhängige Parts haben. Laut Niewöhner soll die Musik improvisiert klingen, ist aber besonders minutiös notiert. Nicht nur, dass die vier Stimmen oft unabhängig nebeneinander herzulaufen scheinen, die Komposition ist außerdem extrem dissonant. Das lässt sie überaus abgründig wirken. Beim zweiten Satz kommt hinzu, dass er sehr leise ist – was José Luis García Satz kommt hinzu, dass er sehr leise ist – was José Luis García Vegara und das Webern Trio mit geradezu hingehauchten Klängen umsetzten. Die Musik klagte so vor sich hin und drückte Hoffnungslosigkeit und Resignation aus. Das meiste spielte sich in hohen Lagen ab, erst am Ende gab das Cello ein paar tiefe Töne von sich. Der dritte Satz ist schneller und bietet statt dieses Hinhauchens einen Aufschrei.
Das Publikum mit einer solchen Komposition in die Pause zu schicken, mag gewagt erscheinen, aber die Besucher in der Aula waren offen für diese Musik, spendeten langen Beifall und waren beim zweiten Teil alle noch da. Mit Gabriel Faurés Impromptu op. 86 für Harfe solo stand wieder etwas Melodisches im 'klassischen' Sinne auf dem Programm. Mit vollem Klang und warmherzigem Ausdruck bot Anne-Sophie Bertrand eine sehr erzählerische Interpretation, bei der sie fein auf die verschiedenen Nuancen der Musik reagierte.
Oboist José Luis García Vegara und alle vier Streicher setzten einen gelungenen Schlusspunkt mit einer weiteren Bax-Komposition: dem Quintett für Oboe und Streichquartett aus dem Jahr 1922. Wie Niewöhner erklärte, feierte Bax einerseits oft und gerne Partys mit Freunden und Künstlerkollegen, andererseits verbrachte er gerne viel Zeit alleine in Irland. Zu Recht erklärte er, dass sich beide Seiten des Komponisten in dieser Musik wiederfinden. Die Interpretation war ebenso gelungen wie zuvor die der „Fantasy Sonata“. Als Zugabe spielten alle vier Musiker einen Satz aus Georg Philipp Telemanns Tafelmusik – mit der Harfe als Continuo-Instrument.




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Foto: Martin G.Günkel

Oscar Petersons große Passionsmusik

Alsfeld Musik Art: Jazz-Trio Kordes - Tetzlaff - Godejohann erhalten lang anhaltenden Beifall

Alsfeld. Johann Sebastian Bachs Musik lässt sich in andere Stile transportieren, ohne dass sie davon ihren Charakter verliert. Vielleicht ist das einer der Aspekte von Bachs Genialität. Bach und melodischer Jazz passen jedenfalls bestens zusammen. Das bewies das Jazz-Trio Kordes – Tetzlaff – Godejohann bei seinem Konzert in der Reihe Alsfeld Musik Art in der fast voll besetzten Aula der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule.
Das Trio besteht aus Olaf Kordes (Klavier), Wolfgang Tetzlaff (Kontrabass) und Karl Godejohann (Schlagzeug). Die drei Musiker spielten im ersten Programmteil die kompette „Easter-Suite“ von Oscar Peterson. Der zweite Teil bestand unter anderem aus verjazzten Stücken Bachs. Alle ausgewählten Stücke passten zusammen und ergaben einen in sich stimmigen und höchst intensiven Abend.
Auch wenn die „Easter Suite“ beinahe vergessen ist: Mit ihr ist dem Pianisten Oscar Peterson eine ganz große Passionsmusik gelungen. Es handelte sich dabei um eine Auftragsarbeit für die BBC. Am 24. April 1984, einem Karfreitag, spielte der kanadische Musiker das Werk ein einziges Mal für eine Fernsehsendung. Mit dabei waren der Schlagzeuger Martin Drew und der Kontrabassist Niels-Henning Ørsted Pedersen (in der Jazz-Szene kurz NHØP genannt, der Einfachheit halber).
Danach wurde das Werk nie wieder aufgeführt – bis Olaf Kordes und Karl Godejohann eine VHS-Kassette mit dem Fernsehfilm von 1984 fanden. Noten gab es nicht, die beiden Musiker hörten die Stücke also aus der Aufzeichnung heraus. Ihre Version präsentierten sie 2006 das erste Mal der Öffentlichkeit. Bei Alsfeld Musik Art sorgten sie mit dem Werk für einen ganz besonderen Moment, an den sie im zweiten Programmteil auch nahtlos anknüpften, was die atmosphärische Intensität betraf.
Schon beim Klavier-Intro des ersten Abschnitts der „Easter Suite“ zeigte sich, dass Olaf Kordes direkt an Oscar Petersons Spiel anknüpfte, ohne es jedoch einfach zu kopieren. Die dick und warm klingenden Blockakkorde, eine bestimmte Art flinker Melodielinien – all das ist typisch für Peterson. Um es mit einem Bild zu sagen: Kordes knüpfte an die Sprache Petersons an, drückte sich in ihr aber mit seinen eigenen Worten aus.
Das gleiche galt für seine beiden Mitspieler: Wolfgang Tetzlaff hatte auf seinem Kontrabass einen Ton, der genauso sang wie der von NHØP, und auch stilistisch gab es viele Anknüpfungspunkte. Die Melodik war aber ganz seine eigene. Karl Godejohann hatte mit Martin Drew den lockeren Swing gemeinsam, die dynamische Bandbreite und die feinen Resonanzen seines niemals zu hart gespielten Instruments. Damit ging er ebenfalls auf seine eigene Art und Weise um – und zauberte Figuren aus seinem Schlagzeug, wie man sie sich kaum träumen lassen kann.
Alle drei Musiker wussten, wo Verzierungen am besten passten und wo sie sich besser auf klare Melodien und Grooves konzentrierten. Der Abschnitt „Why Have You Forsaken Me?“ („Warum hast du mich verlassen“) klingt ein bisschen wie Petersons „Hymn to Freedom“. Es gibt aber auch kraftvolle Momente, etwa beim Pilatus-Verhör oder auch im triumphalen Schlussteil „He Has Risen“ („Er ist auferstanden“).
Auf all das reagierten die Musiker überaus feinsinnig und ließen ganz zur Geltung kommen, was für eine große musikalische Erzählung die Passionsmusik Oscar Petersons ist. Wie auf dem Programmzettel des Konzerts zu Recht beschrieben, ist die Komposition keine, die die Blutrünstigkeit der Passion betont. Vielmehr legt sie den Schwerpunkt auf eine tiefe Dankbarkeit für die Erlösung der Menschen durch Christus. Die Tiefe, mit der Petersons Musik das umsetzt, brachte das Trio in Alsfeld ganz zur Geltung.
Seinen Studenten verlangte Oscar Peterson ab, dass sie sich mit Bachs Musik beschäftigten. Olaf Kordes, Wolfgang Tetzlaff und Karl Godejohann trugen dem im zweiten Teil des Konzerts Rechnung. Sie spielten unter anderem ihre eigene Version der c-Moll-Fuge aus dem „Wohltemperierten Klavier“ und Jacques Loussiers Arrangement des ersten Satzes aus dem fünften Brandenburgischen Konzert. Zudem zeigten sie, wie gut sich Bachs Melodien mit einem Standard wie „For All You Know“ kombinieren lassen. Die Harmonik ist nämlich oft nicht so unterschiedlich, außer dass es im Jazz ein paar Sexten und Septimen (das sind Tonabstände) mehr in den Akkorden gibt. Hinzu kam „Salute to Bach“ aus Oscar Petersons Bach-Suite und Petersons Komposition „Hymn to Freedom“. Alles in grandiosen Versionen. Zwischendurch gab es bei Kordes' Moderation immer wieder etwas zu lachen. Mit zwei Zugaben bedankten sich die Musiker für den zu Recht herzlichen und lang anhaltenden Beifall.




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Foto: Christoph Kramer

Unbekannte Komposition ist besonderes Glanzlicht

Alsfeld Musik Art: Offenburger Streichtrio und Oboist Stefan Schilli gastieren in Alsfeld

Alsfeld. Nicht immer sind es die bekannten Komponisten, deren Musik in einem Konzert am meisten begeistert. Bei Alsfeld Musik Art waren schon oft Neu- oder Wiederentdeckungen die Höhepunkte. Auch beim Auftritt des Offenburger Streichtrios und des Oboisten Stefan Schilli war da so: Das Trio Nr. 15 in cis-Moll von Julius Röntgen (1855 bis 1932) war ein besonderes Glanzlicht.
Frank Schilli (Violine), Rolf Schilli (Viola) und Martin Merker (Violoncello) haben die Musik Röntgens wiederentdeckt und stehen auch mit einem Enkel des Komponisten in Kontakt. Julius Röntgen war mit Wilhelm Conrad Röntgen, dem Entdecker der Röntgenstrahlen, entfernt verwandt. Außer dem besagten cis-Moll Trio Julius Röntgens gab es Musik von Max Reger (1873 bis 1916), Henri Tomasi (1901 bis 1971), Benjamin Britten (1913 bis 1976) und Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) zu hören.
Regers Streichtrio a-Moll op. 77b aus dem Jahr 1904 stand am Beginn des Programms. Einerseits war zu spüren, dass sich die Musiker mit dieser Komposition erst einmal warmspielten, andererseits war von Anfang an das das Zusammenspiel der drei Streicher herausragend und erlaubte eine Vielzahl feinster Nuancen.
Julius Röntgens 15. Trio stammt aus dem Jahr 1929, als im Mittelpunkt der Diskussion eher die atonale Musik stand. Röntgen hat da eine überaus melodische Musik geschrieben, die freundlich und witzig ist und zugleich sehr viel Tiefe hat. Was die atmosphärische Intensität anbelangt, brauchte sich diese Komposition nicht hinter der zuvor gespielten zu verstecken. Bei dieser wunderbaren Musik machte sich das Zusammenspiel der drei Musiker besonders bezahlt.
Ein besonders schönes Beispiel dafür, wie Röntgen seine Musik baut und damit Atmosphäre schafft, ist der Beginn des zweiten Satzes: gezupfte Bratschenklänge liegen über einem Klangteppich der beiden anderen, gestrichenen Instrumente. Dann wechselt die Bratsche zum Bogen und Violine und Violoncello werden piccicato gespielt. Die Art, wie Röntgen das umsetzt, verzauberte im Konzert ebenso wie die feinfühlige Interpretation des Offenburger Streichtrios.
Am Beginn des dritten Satzes treten Geige und Cello gemeinsam in einen Dialog mit der Bratsche. Erst ist es ein Wechselspiel, dann wird die Bratsche von den beiden anderen Instrumenten unterlegt. Schließlich verweben alle drei Instrumente ihre Melodien. Im Finale verbreitet der Komponist die Geräusche von Autos. Es trägt die Satzbezeichnung „Finale automobilistico: allegro energico“. Diese Musik ist hektisch, aber auf äußerst witzige und niemals nervige Weise.
Ein faszinierender Moment war auch der erste Auftritt Stefan Schills mit seiner Oboe. Er spielte „evocations“ für Oboe solo aus dem Jahre 1969 von Henri Tomasi. Diese Musik hat nicht die sehr deutliche implizite Harmonik , wie das beispielsweise in den Cellosuiten Johann Sebastian Bachs der Fall ist. Weil aber die Melodik zumeist einfach ist und sich auf eingängige Pentatonik (Tonleitern mit nur fünf Tönen ) stützt, kann man der Komposition gut folgen.
Das gilt insbesondere für eine Interpretation wie die Stefan Schillis: Sein singender Ton, seine feine Arbeit mit Lautstärke-Verhältnissen und seine erzählerische Art der Interpretation brachten einem die Musik näher. Lange, singende Töne mit einer gewissen Kraft und Brillanz standen neben verhaltenen Staccato-Klängen, um nur zwei Eckpunkte der vielgestaltigen Musik zu nennen. Das mag keine Komposition sein, die zuhause auf CD mitreißen kann, aber im Konzert mit einem Interpreten wie Stefan Schilli ist sie ein Erlebnis.
Das 1932 erschienene Fantasie-Quartett op. 2 von Benjamin Britten das Stefan Schilli gemeinsam mit dem Streichtrio spielte, war da deutlich schwerer zu hören. Es ist eine düstere Musik, wie sie bei Britten so oft vorkommt. Aber auch hier faszinierte das Zusammenspiel der Musiker, das im Quartett so hervorragend war wie im Trio. Britten setzt in dieser Komposition unter anderem auf Kontraste zwischen Klangfetzen und Staccato der Streicher einerseits und singenden, oft auch weinenden Oboen-Klängen andererseits. Unter anderem dieser Kontrast gelang den Musikern. Obwohl das eine starke Interpretation war, war es verständlich, dass die Besucher zu Beginn der letzten Komposition des Abends spürbar aufatmeten: Mozarts Oboen-Quartett in F-Dur, KV 370 in einer spritzigen und eleganten Interpretation ging deutlich besser ins Ohr als Britten.




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Foto: Martin G.Günkel

"Neue Musik muss nicht immer schräg klingen"

Alsfeld Musik Art: Ma`alot Quintett gastierte mit Werken des 20. Jahrhunderts in der Aula der Albert-Schweitzer-Schule

Alsfeld. Nicht jede Komposition der so genannten Klassik des 20. Jahrhunderts ist dissonant und schwer zu hören, auch wenn diese Epoche der 'schrägen' Klänge wegen von vielen Hörern eher mit spitzen Fingern angefasst wird. Das Ma'alot Quintett präsentierte dafür in der Reihe Alsfeld Musik Art in der Aula der Alsfelder Albert-Schweitzer-Schule einige wunderbare Beispiele, etwa aus der Feder des Franzosen Jean Francais.
Großartige Interpretationen taten ein Übriges, um die Musik nachvollziehbar und zu einem intensiven Erlebnis zu machen. Das Ma'alot Quintett besteht aus Stephanie Winker (Flöte), Christian Wetzel (Oboe), Ulf-Guido Schäfer (Klarinette), Sibylle Mahni (Horn) und Volker Tessmann (Fagott).
Obwohl die so genannte Neue Musik, die die Interpreten gewählt hatten, eingängig war, hatten sie als Einstieg etwas ganz Klassisches gewählt, um sich und ihre Konzertbesicher erst einmal aufzuwärmen: Das Bläserquintett in Es-Dur op. 88, Nr. 2 von Anton Reicha (1770 bis 1836). Schon der erste Satz hatte Witz und Eleganz, richtig warmgespielt hatten sie die Musiker beim zweiten, einem Scherzo. Das hatte richtig Dampf in den Außenteilen. Den ruhigen Mittelteil inszenierten sie hervorragend als Kontrast. Der dritte Satz war verträumt, der vierte vereinte Energie und Eleganz in gelungener Art und Weise.
Ganz in ihrem Element schienen die Musiker bei der Serenade für Bläserquintett von André Jolivet angekommen zu sein. Das war eine sehr entrückte Musik, unter anderem wegen der modernen Harmonik, die indessen nie unangenehm wirkte. Im ersten Satz war es einer der schönsten Momente, als die Musiker kleine schnelle Läufe verschiedener Instrumente bestens aufeinander abstimmten – und zwar auf lebendige Weise und nicht etwa, wie es bei extrem viel Präzision auch passieren kann, mit gehemmtem Ausdruck.
Das entrückte Moment blieb auch im zweiten Satz erhalten, wobei der eine unglaubliche Energie hatte. Obwohl er unruhig war, ließ er einen beim Hören nicht unruhig werden. Seine Atmosphäre war besonders eigentümlich. Umso ruhiger wirkte der langsame dritte Satz. Der vierte Satz wirkte ziemlich ausgeflippt. Das lag weder am Grundtempo noch an besonders viel Kraft, sondern an der zerfetzten Struktur der Musik. Die transportierten die Interpreten stets auf nachvollziehbare Weise und machten die musikalisch Erzählung sehr spannend. " Le Tombeau de Couperin“ von Maurice Ravel (1875 bis 1937) spielte das Ma'alot Quintett in einer Bearbeitung für ihre Besetzung von Mason Jones. Das viersätzige Werk begann mit viel Bewegung und wirkte dabei ausgesprochen entspannt. Verspieltheit und ein sphärisches Moment kamen hier zusammen. Die Entspanntheit ging nicht verloren, als ein großes Crescendo (deutsch: Lauterwerden) kam. Ravels typische Farbigkeit kam jederzeit ganz zur Geltung. Auch wenn der zweite Satz ein gewisses Aktionstempo hatte, wirkte er ganz ruhig, sanft und verträumt. Entspannt und entspannend war auch der dritte Satz. Der freundliche Ton wurde nur kurz von einem eher schreienden Moment durchbrochen. Dieser kurze Moment war ebenso grandios inszeniert wie die Rückkehr zum Leisen. Ebenso bewegt wie sonor war der vierte und letzte Satz. Der ruhige Mittelteil war emotional ziemlich ambivalent.
Wenn das Konzert einen Höhepunkt hatte, dann war es wohl das Bläserquintett Nr. 1 in E-Dur von Jean Francais (1912 bis 1997). Der erste der vier Sätze fing ruhig an, und als die Musik schnell wurde, entsprach sie einem Rauschzustand mit ihren schnellen, flüssigen und sehr schönen Melodien. Die Komposition war ebenso humor- wie stimmungsvoll. Die schnelle Bewegung beruhigte sich nur in ein paar Momenten ein wenig, aber sie ging niemals auf die Nerven. Extreme Stimmungsschwankungen boten vor allem die Sätze zwei und drei, wobei es den Musikern gelang, ihr Publikum bei jedem noch so starken und unverhofften Wechsel der Emotionen ganz mitzunehmen. Bei bewegten Momenten schien nichts sie beruhigen zu können, in ruhigen Passagen schien sie nichts aus der Ruhe zu bringen. Jede Art des Ausdrucks gestalteten sie ganz konsequent. Zu den vielen besonders schönen Momenten des letzten Satz gehörte es, wie die Musiker mit sehr kurzen und schnellen Läufen miteinander in einen Dialog traten, ehe der Satz urplötzlich mit einem einzigen verzierten Akkord zu Ende ging.
Weil es ein Programm mit Pariser Musik war und wegen der schlimmen aktuellen Ereignisse in der französischen Hauptstadt wählte das Ma'alot Quintett eine nachdenkliche Zugabe: Ein Madrigal aus dem Zyklus „La Cheminée du roi René“ op. 205 von Darius Milhaud (1892 bis 1974), das die fünf Musiker überaus einfühlsam spielten.




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Foto: Martin G.Günkel

Ein Virtuosen-Feuerwerk

Alsfeld Musik Art: David Castro-Balbi und Ekaterina Chernozub spielten zur Saisoneröffnung

Alsfeld. Mit Musik von ausgesprochenen Geigenvirtuosen wie Pablo de Sarasate mehr zu erzählen als nur von Virtuosentum, ist keine Selbstverständlichkeit. Dem Geiger David Castro-Balbi und der Pianistin Ekaterina Chernozub gelang dies bei der Saisoneröffnung der Reihe Alsfeld Musik Art in der Aula der Albert-Schweitzer-Schule. Auch bei den anderen Programmpunkten erwiesen sie sich als feinfühlige Erzähler.
Mit Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate in A-dur KV 526 begannen die beiden Musiker ihr Programm. Schon hier zeigte sich, wie fein sie mit Strukturen und mit Details der Dynamik arbeiten. Während die späteres Programmpunkte hoch emotional waren, zielte das Duo bei der Mozart-Sonate auf das Herausarbeiten von Strukturen -eine Herangehensweise, die zu der Komposition absolut passt. Die beiden setzten das mit maximaler Klarheit um. Faszinierend waren insbesondere Momente wie der leise Beginn des zweiten Satzes: Hier gingen David Castro-Balbi und Ekaterina Chernozub mit einer Behutsamkeit vor, die ihresgleichen suchte.
Bei der Sonate in g-Moll L.140 von Claude Debussy machte sich dieser feine Umgang mit Dynamik erst recht bezahlt. Im ersten Satz bildete das Duo die starken Spannungen in der Musik ab, ohne dabei die sphärische Komponente zu beschädigen, die ebenfalls dazugehört. Als sich der Satz zum Ende hin steigerte, war das unprätentiös und packend zugleich.
Skuril und witzig war der zweite Satz. Nicht zuletzt wegen ihres geradezu telephatischen Zusammenspiels gelang es den Interpreten, Stimmungen und Stimmungswechsel absolut faszinierend zu gestalten. Besonders farbenfroh war der dritte und letzte Satz. Die besonders virtuosen Geigenparts waren keine reine Show, sondern David Castro-Balbi nutzte sie als musikalisches Ausdrucksmittel, mit dem er Kraft und Spannung ausdrückte.
Auch "Zapateado" op. 23, Nr 2 von Pablo de Sarasate war, wie bereits angesprochen, virtuoses Feuerwerk und musikalische Erzählung zugleich. Ekaterina Chernozub spielte die Einleitung feurig, aber nicht zu knallig - und eröffnete so dem Gesang von David Castro-Balbis Geige einen schönen Raum. Das Streichinstrument legte einen virtuosen Tanz hin, den die Pianistin locker, tänzerisch und gewitzt unterlegte. Dabei klang ihr Instrument - wie schon zu Beginn bei der Mozart-Sonate - schön kompakt und niemals zu dick. Das Eergebnis war ein großeer musikalischer Spaß, der wegen seines Feuers äußerst mitreißend war. Kurz vor Ende des zweiten Programmteils war erneut Sarasate an der Reihe, und zwar die berühmten "Zigeunerweisen", die der Komponist 1904 auch selbst aufgenommen hat. Auch diese Komposition war nicht nur technisch, sondern auch im Ausdruck ein Feuerwerk. Die beiden Interpreten scheuten keine Extreme, sondern gestalteten Ausgelassenes wie Sanftes jeweils ganz konsequent.
Hochdramatisch und mit kraftvollen Steigerungen begann die Sonate in c-Moll op. 45 von Edvard Grieg. Von der ersten Sekunde an war eine unglaubliche Spannung in der Interpretation. Ebenfalls spannungsreich und faszinierend war der erste leise Moment, de sehr bald folgte. Aus ihm heraus steigerte sich die Musik wieder ein bisschen - aber nicht bis zum Maximum, sondern sie wurde im nächsten Moment noch ruhiger. Irgendwann wurde die Musik wieder zum Inferno. Die Arbeit beider Interpreten mit Kontrasten und Übergängen hätte nciht packender sein können.In beide Richtungen gingen sie an die Grenzen ihrer Instrumente - im Leisen wie im Lauten, im Zarten wie im Rauen.
Der zweite Satz begann mit einem betörenden, unglaubllich sanften Klaviersolo. Als die Geige auch einsetzte, hatte sie die gleiche Sanftheit. Das war in seiner Wirkung genauso stark wie alles Infernalische im ersten Satz. Als sich die Musik ins Leidenschaftliche hinein steigerte, blieb sie stets poetisch. Der dritte Satz war wieder höchst energetisch. Hier faszinierte das Dialogspiel zwischen David Castro-Balbi und Pianistin Ekaterina Chernozub ganz besonders.
Sehr bekannt ist der Tango von Carlos Gardel, den David Castro-Balbi und Ekaterina Chernozub in einer Bearbeitung des Filmkomponisten John Williams spielten. auch dieses Stück spielte das Duo dynamisch differenziert und äußerst spannungsgeladen - mit dem Ergebnis, dass ihre Interpretation mit allem aufgeladen war, was ein Tango typischerweise impliziert. Für den zu Recht riesenhaften und herzlichen Applaus bedankten sich die beiden Musiker mit einer hinreißenden Zugabe. Sie spielten "Hora staccato" von Grigora Dinicu, für Violine und Klavier bearbeitet von Jascha Heifetz.