Sofja Gülbadamova
Samstag, 26. April 2025
20 Uhr
Aula der
Albert-Schweitzer-Schule,
Schillerstraße 1, 36304 Alsfeld
Die Künstlerin
Sofja Gülbadamova
Klavier
Vita
Sofja Gülbadamova, für die «poetische Schönheit» ihres Spiels und ihre «frappierende Musikalität, Klangfantasie, tiefenentspannte Pianistik und eine erstaunlich vielfältige Gestaltungspalette» von der Presse gefeiert, zählt zu den herausragendsten Musikern ihrer Generation.
Sie ist Preisträgerin und Gewinnerin zahlreicher Wettbewerbe in Österreich, Frankreich, Spanien, Russland, Deutschland, Belgien und in den USA.
Einen wichtigen Schwerpunkt für die Pianistin bilden die Einspielungen, die dem ungarischen Komponisten Ernst von Dohnányi gewidmet sind. Beim Label Capriccio kamen sowohl eine Doppel-CD mit Solowerken Dohnányis heraus als auch die Klavierkonzerte mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Ariane Matiakh sowie die Variationen über ein Kinderlied Ernst von Dohnányis für Klavier und Orchester unter Modestas Pitrenas. Die letztgenannte CD wurde zu Editor‘s Choice of the Month (02/2022) von der englischen Zeitschrift „The Gramophone“ gewählt und erschien ebenda im Mai 2022 in der Liste der bislang besten Veröffentlichungen. Darüber hinaus wurde sie für den International Classical Music Award (ICMA) nominiert.
Im April 2024 wurde die nächste Folge der Dohnányi-Edition veröffentlicht (Capriccio), die auf dem Bösendorfer-Flügel des Komponisten mit der halbkreisförmigen Clutsam-Tastatur entstand.
Weitere Einspielungen sind u.a. bei Hänssler CLASSIC, Danacord, Querstand erschienen. Sofja Gülbadamova spielte unter der Stabführung solcher Dirigenten wie Michail Jurowski, Michel Tabachnik, Marko Letonja, Kirill Karabits, Alevtina Ioffe, Marc Piollet, Antoni Wit, um nur einige zu nennen.
Sie trat mit der Staatskapelle Weimar, Norrköping Sinfonieorchester, Belgrader Philharmonischen Orchester, mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg, dem Sinfonieorchester Wuppertal und vielen anderen Orchestern auf.
Sofja Gülbadamova gastierte in der Elbphilharmonie sowie in der Laieszhalle Hamburg, in der Berliner Philharmonie, im Konzerthaus Berlin, in der Liederhalle Stuttgart, im Kurhaus Wiesbaden, im Großen Saal der Philharmonie in Sankt Petersburg, in Wien, Paris, Budapest, London, Washington D.C. (USA), sowie bei renommierten Festivals in Europa sowie in Süd- und Nordamerika.
2017 wurde Sofja Gülbadamova zur künstlerischen Leiterin des Internationalen Brahms-Festes Mürzzuschlag (Österreich) ernannt.
PROGRAMM
Johannes Brahms (1833 - 1897)
Sarabande A-Dur Wo 05
Gavotte a-moll Wo 03
Clara Schumann (1819 - 1896)
Drei Romanzen op. 21
1. Andante
2. Allegretto
3. Agitato
Robert Schumann (1810 - 1856)
Fantasiestücke op. 111
1. Sehr rasch, mit leidenschaftlichem Vortrag
2. Ziemlich langsam
3. Kräftig und sehr markiert
Johannes Brahms (1833 - 1897)
Intermezzo op. 117 Nr. 1
Ernst von Dohnányi (1877 - 1960)
Passacaglia op. 6
PAUSE
Robert Schumann (1810 - 1856)
Drei Romanzen op. 28
1. Sehr markiert
2. Einfach
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 - 1847)
Fantasie op. 28
Ignaz Friedman (1882 - 1948)
Wiener Tänze nach Eduard Gärtner
1. Tempo di Valse lente
Johann Strauß (1825 - 1899) / Ernst von Dohnányi (1877 - 1960)
"Du und Du"- Walzer
Programm-betrachtungen
von Dr. Walter Windisch-Laube
Stellen wir uns dies Konzert in genau der Abfolge seiner Stücke als CD-Einspielung vor: es könnte mit Fug als Konzept-Album bezeichnet werden.
Vielfalt und Eingegrenztheit des Programmverlaufs bedingen einander: Alle gespielten Werke haben ihren Ursprung im zweiten und dritten Drittel des 19. Jahrhunderts, also in der entscheidenden Phase der musikalischen Hoch- bis Spätromantik. Ein akustisches Kaleidoskop entfaltet sich vor den Sinnen der Zuhörerschaft, was die Vielfalt der Ausdruckscharaktere und der Tonarten betrifft, nicht so sehr aber der Komponist*innen, Stile und kompositorischen Richtungen (wie sie in dieser Zeit einander argwöhnisch bis feindselig gegenüberstanden): Die vertretenen Künstler repräsentieren hier ein kleines, feines ‚Netzwerk‘ mit sechs direkt beteiligten Personen: Johannes Brahms, Clara Schumann und Robert Schumann sowie Ernst von Dohnányi, Felix Mendelssohn Bartholdy und Johann Strauß (Sohn), zudem – als Zaungast sozusagen – Ignaz Friedman. Wer sich mit einem, einer oder einigen von ihnen schon irgendwie beschäftigt hat, ahnt bereits, dass ihre dies Programm konstituierenden Werke in mehr Zusammenhang stehen und sich wechselseitig bespiegeln, auf der Basis intensiver Beziehungen: musikalischer, freundschaftlicher und amouröser Art sowie, nicht zu vergessen, aufgrund künstlerischen und somit essentiellen Einverständnisses.
Die beiden das Konzert eröffnenden Programmpunkte bestehen aus Werken, die zeitgleich – Mitte der 50er-Jahre – ‚unter Freunden‘ entstanden sind: Johannes und Clara.
Als eine Art archaisierende Versuchsanordnung können die Sarabande und die zwei Gavotten, Werke ohne Opuszahl des Anfang 20-jährigen Johannes Brahms begriffen werden. Er begibt sich hier auf neue Bahnen (oder gießt er frischen Wein in alte Schläuche?), indem er im Rahmen stilisierter Suiten-Tanzformen ein stetes Changieren zwischen Dur und Moll sowie unerwartete harmonisch-melodische Wendungen erprobt (‚Brahms the Progressive‘). Die Sarabande und die Gavotten hat er sehr viel später im zweiten Satz seines 1. Streichquintettes wieder- bzw. weiterverwendet.
Clara Schumann ist, obschon mit nur einem Werk im Programm präsent, dessen Schlüsselfigur – durch ihre persönliche und künstlerische Beziehung sowohl zu Robert Schumann als auch zu Brahms. Claras drei Romanzen, die sie in einer Zeit vollendete, als ihr Mann bereits in stationärer psychiatrischer Behandlung war, eröffnen recht eigentlich den Beziehungsreigen oder -zauber des Konzertes. Sie sind Johannes Brahms gewidmet und scheinen, insbesondere die erste Nummer des Opus, auf dessen große Hände ‚zugeschnitten‘ zu sein. Insgesamt vermitteln diese ‚Romanzen‘ eher ein Bild der Ambivalenz oder gar Zerrissenheit denn eines von lyrisch-romantischer Beschaulichkeit. Selbst die Dur-Mittelteile (F und G) der ersten und dritten und die in F-Dur stehende kurze, scherzande zweite Romanze wirken nicht gänzlich unbeschwert oder fröhlich. Hier scheint sich einerseits die Zuspitzung der seelischen Problematik Robert Schumanns, im gleichnishaften Bild: als getrübtes Wasser, andererseits der Bezug und die Seelenverwandtschaft zu Johannes Brahms, dem Haus-Freund und neuem Stern am Musikhimmel niederzuschlagen. Robert Schumann hatte bald nach Beginn seiner (sowie Claras) Bekanntschaft und alsbald Freundschaft mit dem damals 20-jährigen Brahms in der Neuen Zeitschrift für Musik 1853 den Aufsatz „Neue Bahnen“ veröffentlicht, in welchem er dem jungen Musiker (nicht nur zu dessen Freude, sondern von ihm auch als Bürde empfunden) in höchsten Tönen eine glänzende Laufbahn prophezeite. In jedem Fall sind Clara Schumanns „Romanzen“, die sicher auch unter dem Eindruck der Begegnung mit dem jungen Genie entstanden, keine klimpervirtuosen Kabinett-, sondern Charakterstücke von existentieller, teils auch experimenteller Tiefe, vielen Werken Felix Mendelssohns und Robert Schumanns gewiss ebenbürtig.
In den Fantasiestücken op. 111 (durch Beethovens letzte Klaviersonate eine ‚magische‘ Opuszahl) knüpfte Robert Schumann 1851 an seine gleichnamige Stücke-Folge op. 12 (von 1837) an – jeweils mit Bezug auf E.T.A.Hoffmanns literarische ‚Fantasiestücke‘. Auch in dem späten Opus (Schumanns nicht allzu umfängliches und nur wenige Jahre währendes ‚Spätwerk‘ setzt ein, als er ungefähr 40 ist) begegnet ein Wechselbad zwischen leidenschaftlicher Emphase, Abgründigem und Innigkeit.
Johannes Brahms hat die drei Intermezzi op. 117 (1892) selbst als „Wiegenlieder meiner Schmerzen“ bezeichnet, und das hier zu hörende erste Stück der Trias ist tatsächlich auch durch einen Wiegenlied-Text schottischer Herkunft angeregt, dessen Eingangsworte Brahms dem Opus vorangestellt hat: „Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schön! Mich dauert sehr, dich weinen sehn.“
In den Fantasiestücken op. 111 (durch Beethovens letzte Klaviersonate eine ‚magische‘ Opuszahl) knüpfte Robert Schumann 1851 an seine gleichnamige Stücke-Folge op. 12 (von 1837) an – jeweils mit Bezug auf E.T.A.Hoffmanns literarische ‚Fantasiestücke‘. Auch in dem späten Opus (Schumanns nicht allzu umfängliches und nur wenige Jahre währendes ‚Spätwerk‘ setzt ein, als er ungefähr 40 ist) begegnet ein Wechselbad zwischen leidenschaftlicher Emphase, Abgründigem und Innigkeit.
Johannes Brahms hat die drei Intermezzi op. 117 (1892) selbst als „Wiegenlieder meiner Schmerzen“ bezeichnet, und das hier zu hörende erste Stück der Trias ist tatsächlich auch durch einen Wiegenlied-Text schottischer Herkunft angeregt, dessen Eingangsworte Brahms dem Opus vorangestellt hat: „Schlaf sanft, mein Kind, schlaf sanft und schön! Mich dauert sehr, dich weinen sehn.“
Drei Jahre später lernte der ungarische Komponist Ernst von Dohnányi Brahms kennen und wurde von ihm für sein op. 1 ähnlich überschwänglich gelobt wie Brahms selbst einst durch Robert Schumann. Dohnányi, pianistisches und kompositorisches ‚Wunderkind‘, war der Großvater des Politikers Klaus und des Dirigenten Christoph von Dohnányi. Obschon unwesentlich älter als seine Landsleute Béla Bartók und Zoltán Kodály (mit denen zusammen er das ‚Dreigestirn‘ der ungarischen Musik im frühen 20. Jahrhundert bildete), war Ernst von Dohnányi in seiner Tonsprache doch wesentlich konservativer; allerdings kein bloßer Epigone (etwa bezüglich Brahms), sondern stilistisch durchaus eigenständig. Dohnányis Passacaglia in es-Moll, die den ersten Programmteil wirkungsvoll und höchst virtuos beschließt, ist der umfangreichste Einzelsatz des Abends. Der achttaktige Passacaglia-Bass aus acht verschiedenen Tönen, zur obstinaten Wiederkehr vorgesehen, schraubt sich in seinem ersten Halbsatz allmählich empor und mündet über eine neapolitanische Klage-Formel in die kadenzierende dreitaktige Schlusswendung. Etwa vierzigmal erklingt dieses Thema, keineswegs immer im Bass und oft so verschleiert, dass es nicht wie bei andern Werken solcher Formgebung stets zu erkennen bleibt. Hierin erinnert Dohnányis op. 6 ein wenig an Bachs Chaconne aus der d-Moll-Violinpartita. Nach Taktzahlen bzw. Variations-Durchgängen ist das Werk um etwa ein Drittel länger als zwei weitere mögliche Vorbild-Passacaglien: Pachelbels ‚Kanon‘ und der Finalsatz von Brahmsens 4. Symphonie. Zu vermerken wäre noch, dass wir es bei Sofja Gülbadamova mit der Dohnányi-Interpretin schlechthin zu tun haben; somit ist sie für die Passacaglia wie kaum jemand sonst prädestiniert, freilich nicht nur dafür, vielmehr als ebenso bewährte wie prämierte Brahms- und Clara-Schumann-Interpretin (sowie Künstlerische Leiterin des Brahms-Festes im österreichischen Mürzzuschlag) fürs gesamte Programm/-Konzept dieses ungewöhnlichen Rezitals.
Der Grundton fis (wie in den beiden ersten Werken nach der Pause) hatte für Robert Schumann und dann auch für Johannes Brahms eine tiefere Bedeutung. Roberts Werben um Clara spielte sich am häufigsten über just dieser Basis ab, vorzugsweise in fis-Moll: siehe 1. Klaviersonate, Eichendorff-Liederkreis, Heine-Dichterliebe u.a.m. Zu Clara Schumanns bekanntesten Werken gehören ihre Variationen über ein fis-Moll-Thema von Robert Schumann, das Brahms wiederum ein Jahr später und zugleich ein Jahr nach dem Kennenlernen der beiden ebenfalls bearbeitete, in seinen „Variationen über ein Thema von Ihm, Ihr zugeeignet“. Durch viele Werke hin ist zu beobachten, wie der Ton fis und die entsprechende Molltonart bei Brahms sodann Chiffren für seine Beziehung zu Robert und Clara Schumann wurden.
Fis ist der Grundton auch von Numero zwei der Robert Schumann‘schen Romanzen op. 28, einem träumerisch-kontemplativen Stück in Fis-Dur – romantisch-pianistischer Solitär und Meisterstück. Ihr vorangestellt, als markante Eröffnung des zweiten Konzertteils, erscheint die erste der insgesamt drei Romanzen – in b-Moll und Fis-Dur (vorausweisend auf Passagen im 1. Satz des Klavierkonzertes zwei Jahre später, 1841). Die erste Romanze lässt das eine, stürmisch-ungestüme Alter Ego Schumanns, „Florestan“, tonreich zu Wort kommen; Nr. 2 aber gehört ganz dem anderen, verträumten, „Eusebius“. Gleich danach wird fis-Moll angeschlagen in Gestalt der Fantasie op. 28 von Felix Mendelssohn Bartholdy, dem Vorbild, Freund und Förderer der Schumanns, der mit diesem Werk 1833 die Tonart pianistisch weit ausgreifend und brillant zu einer betont schwärmerisch-romantischen werden ließ.
Für den ‚Kehraus‘ des Konzertprogramms sorgt die Wiener Walzer-Sphäre – und stellt einmal mehr auch einen Bezug zu Johannes Brahms her. Bekannt ist die Anekdote, dass Brahms einst zu den Anfangsnoten des Strauß‘schen Donauwalzers (der inoffiziellen österreichischen Hymne) die Worte schrieb: „Leider nicht von mir“; und das, obgleich auch er eine Reihe unvergänglicher Walzer-Ohrwürmer verfasst hat. Johann Strauß: einer der ganz wenigen Komponisten, von denen Brahms stets mit Hochachtung und Bewunderung sprach.
Eduard Gärtner (1862-1918), war ein Wiener Hofsänger und Komponist – namentlich der Operette „Die verwunschene Prinzessin“, 1901. Seine Tanzmelodien wurden nicht nur von Violin-Legende Fritz Kreisler adaptiert, sondern auch vom polnisch-jüdischen Pianisten und Komponisten, Schumann-Herausgeber und profilierten Mendelssohn-Interpreten Ignaz Friedman. Als der zum Studium nach Wien kam, waren Johannes Brahms und Johann Strauß wenige Jahre zuvor dort verstorben. Friedmans Wien-Debüt 1904 mit drei Klavierkonzerten an einem Abend bescherte ihm eine internationale Karriere, in deren Verlauf er weltweit mehrere Tausend Konzerte gab.
„Du und Du“ op. 367 ist ein Walzer, den höchstwahrscheinlich Eduard Strauß, der eine Bruder des ‚Walzerkönigs‘, aus Motiven von dessen Operette „Die Fledermaus“ zusammenstellte, und zwar 1874. „Brüderlein und Schwesterlein“ oder eben auch „Du und Du“ heißt die ausschlag- und namengebende Nummer aus dem 2. Akt. 1928, im Jahr seines 1.500sten Konzertes und seiner Rückkehr als Klavierprofessor an die Budapester Liszt-Akademie, schrieb Ernst von Dohnányi seine Klavierfantasie in F-Dur über dies Strauß‘sche Gemeinschaftswerk. Effektvoll schließt das Konzert so mit einer Transkription aus dem Geiste Franz Liszts.
Dr. Walter Windisch-Laube